SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist für seine klare Meinung in der Coronapandemie bekannt.
Lauterbach kritisiert Müller-Reise
Bei SPORT1 äußert er sich kritisch zur Klub-WM, der Rückreise des positiv getesteten Thomas Müller aus Katar und der Forderung von Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
SPORT1: Herr Lauterbach, auf der umstrittenen Katar-Reise des FC Bayern zur Klub-WM wurde Thomas Müller positiv getestet. Sie haben die Reisen der Fußball-Klubs bereits in der Vergangenheit kritisiert, zumal die Bundeskanzlerin dazu aufgerufen hat, auf Reisen zu verzichten. Bestärkt dieser Fall Ihre Kritik am Vorgehen der Profiklubs?
Karl Lauterbach: Ja, das muss man leider sagen. Die Fußball-Profis sollten ja auch Vorbilder sein. So sind sie das auf keinen Fall. Während man die Sicherheit der Bundesligaspiele jetzt, das muss man zugeben, mit ausreichender Sicherheit organisiert hat, sind zusätzliche Spiele mit Reisen in Länder, wo die COVID-Pandemie nicht wirklich kontrolliert wird, nicht verantwortungsvoll. Den Bürgern raten wir zu Recht von jeder unnötigen Reise ins Ausland ab, und der internationale Fußball setzt sich über diese Regeln einfach hinweg. Die Bürger wollen nicht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, nur weil es um Millioneneinnahmen durch Fernsehübertragungen geht.
SPORT1: Thomas Müller reiste "isoliert" nach München und wird dort - nach Absprache mit den Behörden - seine Quarantäne antreten. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen? Hätte er nicht für eine Quarantäne in Katar bleiben müssen?
Lauterbach: Normalerweise wäre eine Reise mit bekannter Infektion natürlich undenkbar.
SPORT1: Müller war tagelang in unmittelbarer Nähe zu seinen Teamkollegen, stand mit ihnen am Montag noch auf dem Platz. Dennoch wurden alle Mitspieler negativ getestet. Ist das Vorgehen, das Finale trotzdem zu spielen, verantwortbar gewesen?
Lauterbach: Wenn PCR-Tests kurz vor dem Spiel gemacht wurden, ist das Risiko gering. Trotzdem ist das Signal verheerend.
Lauterbach findet Rummenigges Wunsch "höhnisch"
SPORT1: Karl-Heinz Rummenigge hat vor wenigen Tagen bei SPORT1 angeregt, Fußballer zu Impf-Vorbildern zu machen. Wörtlich sagte er: "Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung. Denn ich weiß als ehemaliger Fußballer, was der Körper für einen Sportler bedeutet: Alles! Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten." Wie stehen Sie dazu?
Lauterbach: Der Vorwand, die Spieler würden die Impfung brauchen, um die Impfbereitschaft der Fans zu erhöhen, ist natürlich abwegig und vorgeschoben, die Privilegierung der Spieler zu rechtfertigen. Es klingt höhnisch, jeder weiß doch, dass die Impfbereitschaft hoch ist und der Impfstoff fehlt.
SPORT1: Die Heimspiele der deutschen Champions-League-Klubs RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach können nicht in Deutschland stattfinden, weil die englischen Klubs keine Einreisegenehmigung bekommen. Stattdessen werden diese Spiele in Ungarn ausgetragen, da es dort weniger strenge Auflagen gibt. Führt das Vorgehen der Bundesliga-Klubs die geltenden Regelungen nicht ad absurdum?
Lauterbach: Niemand weiß genau, wie die Infektionslage in Ungarn wirklich ist. Und dass Spieler aus UK ausreisen dürfen für ein solches Spiel, ist auch falsch. Es ist ein verzerrter Wettbewerb, der zur Pandemiemüdigkeit beiträgt, weil er die Glaubwürdigkeit unserer Regeln in Frage stellt.