Um ein Haar hätte Timo Waslikowski im Herbst 2018 seinen großen Fernsehauftritt vor einem Millionenpublikum bekommen.
Das Schicksal des deutschen Rooney
Ein sehenswertes Freistoßtor in der Kreisliga für den FC Ankara Gengenbach hatte dem Spielertrainer einen Platz beim Online-Voting um die Teilnahme am Torwandschießen im Aktuellen Sportstudio beschert.
Genau drei Stimmen fehlten Waslikowski letztlich zum Sieg - und wer weiß, was gewesen wäre, wenn die Abstimmung einen Tag länger gelaufen wäre.
Es ist die Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Leben des heute 30-Jährigen zieht: "Was wäre gewesen, wenn ...?"
Denn Waslikowski ist alles andere als ein gewöhnlicher Kreisliga-Kicker, das wird in den zahlreichen SPORT1-Gesprächen mit einstigen Weggefährten schnell klar.
"Er war einer, bei dem man gedacht hat, dass er auf jeden Fall in die Bundesliga kommt", sagt Bayern-Torwart Sven Ulreich. Für seinen ehemaligen Mitspieler und heutigen BVB-Profi Ömer Toprak war Waslikowski "ein absolutes Supertalent".
Was also wäre gewesen, wenn er damals das Angebot des FC Bayern angenommen hätte?
Was, wenn er sich als 18-Jähriger im Training nicht so schwer verletzt hätte - sondern kurz darauf mit den Profis des SC Freiburg ins Trainingslager gefahren wäre?
Aber von vorne.
I. Ein Supertalent wächst heran
"Timo kam schon in der C-Jugend aus Offenburg zu uns und ist damals allen davongerannt - ein sehr schneller Stürmer, der auch früh in den Auswahlmannschaften des DFB gespielt hat."
- Christian Streich, heutiger Bundesliga-Trainer des SC Freiburg
Der Jahrgang 1988 ist ein besonderer in der Geschichte des deutschen Fußballs. Mats Hummels, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Mesut Özil: Sie alle gehörten zur deutschen U21-Auswahl, die 2009 Europameister wurde. Fünf Jahre später bildeten sie das Gerüst des Weltmeister-Teams von Brasilien.
Auch Timo Waslikowski wurde 1988 geboren - und begann einige Jahre später im badischen Gengenbach ein Fußballerleben, das ebenfalls auf dem besten Wege war, ihn im Sommer 2014 ins Maracana zu führen.
Statt jedoch vor 75.000 Zuschauern um die größte Trophäe im Weltfußball zu spielen, tingelt Waslikowski zu jener Zeit durch die Bezirksliga Offenburg. In Rammersweier statt in Rio de Janeiro. Gegen Auenheim statt Argentinien. Seine Gegenspieler heißen Metzger statt Messi.
Dabei hat Waslikowski schon in jungen Jahren beste Voraussetzungen, ein Albtraum für jeden Abwehrspieler zu werden.
"Er war sehr schnell und sehr früh ein echter 'Ochse', ein breiter, bulliger Stürmer. Und er hat einen Wahnsinnsschuss", beschreibt ihn sein langjähriger Weggefährte David Halsinger, der schon in der F-Jugend mit Waslikowski zusammenspielte.
Aber noch etwas anderes habe diesen schon als kleiner Junge ausgezeichnet: "Er war von Anfang an auf dem Platz sehr eigensinnig - und unheimlich ehrgeizig."
Der Ehrgeiz trägt schnell Früchte: Vom kleinen SV Gengenbach wechselt Waslikowski in der D-Jugend zum Offenburger FV, schießt dort gegen die Teams aus der näheren Umgebung Tore am Fließband. Als der OFV bei den Südbadischen Hallenmeisterschaften sogar dem großen Favoriten vom SC Freiburg eine unerwartete Niederlage zufügt, wird dieser auf Waslikowski aufmerksam.
"An dem Tag bin ich letztlich entdeckt worden, da lief einfach alles zusammen", erinnert sich Waslikowski, muss aber lachend gestehen: "Dafür haben wir etwas später draußen auf dem Feld eine 1:7-Packung gegen Freiburg bekommen."
II. Nicht nur der FC Bayern klopft an
"Er war mit 14, 15 schon sehr weit, wir hatten ihn damals auf dem Schirm. Heute wären seine Chancen noch größer, weil die Dynamik eine größere Rolle spielt als vor 15 Jahren."
- Hermann Hummels, ehemaliger Nachwuchsdirektor des FC Bayern München
Waslikowski sitzt auf dem Sportplatz des FC Ankara Gengenbach, als er von den Anfängen seiner Fußballerlaufbahn erzählt. Hier, am Ortsrand seiner Heimatstadt, zwischen dem monotonen Rauschen der Bundesstraße 33 und dem sporadischen Rattern der Bahnlinie in Richtung Schwarzwald, ist Waslikowski seit Sommer 2018 Spielertrainer.
Zwei Tore mit in die Jahre gekommenen Fangzäunen und einige Werbebanner umgeben einen etwas holprigen Rasenplatz. Daneben steht das kleine Vereinsheim mit den Umkleidekabinen. So sieht sie aus, Waslikowskis neue sportliche Heimat. Von Duellen mit dem SC Freiburg ist er hier in der Kreisliga B weit entfernt.
Jenes 1:7 im Jahr 2001 sollte die bis heute letzte Niederlage sein, die Waslikowski gegen den Sport-Club einstecken muss: Denn zur Spielzeit 2001/02 wechselt der damals Zwölfjährige selbst nach Freiburg.
Fünf Mal pro Woche fährt Waslikowski fortan im Kleinbus mit anderen Freiburger Nachwuchsspielern die insgesamt rund 150 Kilometer hin und zurück, neben dem Alltag mit Schule und Familie in der Heimat. Sportlich machen sich die Strapazen jedoch nicht bemerkbar. Auch unter den zahlreichen Hochtalentierten sticht Waslikowski immer noch hervor.
"Er war den anderen Spielern körperlich um zwei, drei Jahre voraus und sehr schnell", erinnert sich der ehemalige Nationalspieler Martin Wagner, der später Waslikowskis Berater werden sollte: "Vor allem aber war er unglaublich torgefährlich."
Mit diesen Eigenschaften weckt Waslikowski bald das Interesse anderer Vereine - allen voran des FC Bayern. Zur Saison 2003/04 will der Rekordmeister den 14-Jährigen ins Internat nach München lotsen.
Eigentlich hätten sie zu der Zeit "nicht viele bullige Spieler geholt", erklärt Bayerns damaliger Nachwuchsdirektor Hermann Hummels, zumal Waslikowski "technisch nicht der Allerfeinste" gewesen sei. Aber: "Er hat es gut gemacht. Er war damals eines der größeren Talente, ein etwas anderer Typ Stürmer."
Um das Freiburger Juwel und dessen Eltern von einem Wechsel zu überzeugen, wird die gesamte Familie nach München eingeladen.
"Was da geboten wird, ist schon phänomenal", schwärmt Waslikowski noch heute. Hummels habe ihnen die Stadt gezeigt, dazu Einblicke ins Trainingsgelände und ins Jugendinternat gewährt. "Da hat sich inzwischen natürlich noch mal einiges verändert, aber es war damals schon ein Traum."
Als Chefscout Wolfgang Dremmler einige Zeit später sogar eigens nach Gengenbach reist, um noch einmal bei den Waslikowskis vorzusprechen, scheint der Wechsel beschlossene Sache. Doch es kommt zur Überraschung der Münchner anders. "Warum das dann gescheitert ist, das weiß ich nicht genau", wundert sich Hummels noch heute.
Ausschlaggebend ist letztlich Volker Finke. Der damalige Bundesliga-Coach sucht gemeinsam mit den Freiburger Verantwortlichen das Gespräch mit der Familie - und überzeugt sie von einem Verbleib im Breisgau. "Volker Finke hat damals gesagt, dass ich es in Freiburg schaffen kann, wenn ich mich weiter so entwickle - und auf sein Wort konnte ich mich immer verlassen", sagt Waslikowski.
Im Laufe der Jahre gehen weitere Angebote ein: Schalke, Stuttgart und der BVB bekunden Interesse, auch englische Vereine wie der FC Reading, Wigan Athletic und sogar Manchester United klopfen bei Waslikowskis Eltern und später bei Berater Wagner an.
So konkret wie mit den Münchnern wird es aber nicht mehr, Waslikowski fühlt sich beim Sport-Club bestens aufgehoben. Und doch sieht Wagner im Rückblick vor allem die Entscheidung gegen das Angebot des FC Bayern kritisch: "Vielleicht hätte er den Schritt nach München wagen sollen. Vielleicht war das ein anfänglicher Fehler."
Sein ehemaliger Schützling sei allerdings "sehr heimatverbunden, ein sehr familienbezogener Mensch" - und der Verbleib in Freiburg "sicherlich keine schlechte Wahl" gewesen.
Das sieht auch Waslikowski selbst bis heute so. Und trotzdem fällt im Gespräch über seine Absage an die Bayern ganz kurz das Wort "leider".
Für einen Moment blitzt sie wieder auf, die Frage: Was wäre gewesen, wenn …?
III. Deutschlands bester Nachwuchsstürmer
"Er war brutal stark als Stürmer vorne. Er war damals in der Junioren-Nationalmannschaft ganz klar gesetzt, da gab es fast keine Konkurrenz für ihn."
- Ralf Fährmann, heutiger Bundesliga-Torwart des FC Schalke 04
In Augenblicken wie diesen wird Waslikowskis Blick nachdenklich, die Stimme leiser, die Sätze kürzer. Es gibt Kapitel seiner Geschichte, über die er nicht gerne spricht, das gibt er selbst offen zu. Seine heutigen Mitspieler wissen natürlich, dass er früher einmal höherklassig gespielt hat, dass er beim SC Freiburg war. Die Details kennen die wenigsten.
Finanziell entscheidet er sich damals mit dem Verbleib in Freiburg für die schlechtere Alternative. Wie viel genau er als Jugendspieler verdient hat, möchte Waslikowski aus Rücksicht auf seinen Ex-Klub nicht sagen.
Es dürfte zu jener Zeit aber monatlich in etwa ein mittlerer dreistelliger Betrag gewesen sein, in München hätte er deutlich mehr erhalten. Heute, so schätzen Branchenkenner, könnte ein Spieler mit seinem Talent je nach Verein einen hohen vierstelligen Betrag einstreichen.
Viel wichtiger aber ist für Waslikowski im Sommer 2003, dass er aus sportlicher Sicht den nächsten Schritt in Richtung Profikarriere macht: Er erhält einen Platz im Freiburger Fußballinternat. Die langen Fahrten fallen weg, sein ganzes Leben ist ab sofort noch mehr auf den Sport ausgerichtet.
Zusätzlich zum Mannschaftstraining erhalten die Internatsschüler zwei Mal pro Woche ein Techniktraining, von dem insbesondere Waslikowski profitiert. Zumal es von einem der damals besten deutschen Nachwuchstrainer geleitet wird, einem gewissen Christian Streich.
Wenn er über seinen ehemaligen Trainer spricht, gerät Waslikowski ins Schwärmen. Für ihn ist der heutige Bundesliga-Coach der Freiburger sowohl fachlich als auch menschlich unerreicht: "Er hat früher viel mit mir gesprochen. Da ich ja im Internat war, hatte ich sehr engen Kontakt mit ihm, er war ein super Trainer."
Auch an ehemalige Mitspieler wie Ralf Fährmann, der für Waslikowski "fußballerisch und menschlich immer ein toller Typ war", erinnert er sich gerne - genauso wie an so manches großes Spiel, das seine Augen noch heute zum Leuchten bringt.
Ganz oben auf dieser Liste: das Finale um den DFB-Juniorenpokal 2006, in dem sich die Freiburger U19 mit Streich als Trainer durch ein 4:1 gegen den Karlsruher SC erstmals diesen Titel sichert. Auf dem Platz stehen damals auch zahlreiche spätere Profis wie Daniel Schwaab (heute PSV Eindhoven) und der heutige Schalker Daniel Caligiuri.
Die Aufstellung des SC Freiburg im U19-Pokalfinale 2006 - und wo die Spieler heute sind:
Während beispielsweise Caligiuri damals nur eingewechselt wird, ist Waslikowski im Sturm längst eine feste Größe. Bereits als 15-Jähriger gibt er sein Debüt in der U19-Bundesliga, schießt in seinen ersten beiden Spielen gegen Mainz 05 und den FC Bayern gleich drei Tore.
"Wir haben ihn immer 'Maschine' genannt oder 'Wayne Rooney', weil er ein großer Fan von ihm war - und so wie Rooney hat er auch gespielt", erklärt sein Internatskollege Ömer Toprak.
Selbst in den Junioren-Nationalteams des DFB ist Waslikowski über Jahre hinweg mehr oder weniger konkurrenzlos, wie sich Ralf Fährmann erinnert. "Man konnte ihn praktisch immer anspielen, weil er einfach ein Muskelpaket par excellence war, fast schon aussah wie ein Wrestler", lobt der heutige Schalker Bundesliga-Profi.
Für Fährmanns Torwart-Kollegen Sven Ulreich vom FC Bayern war Waslikowski schlicht und ergreifend "ein sehr guter Stürmer". Ulreich steht in den Katakomben der Allianz Arena, als er über die gemeinsame Zeit bei den DFB-Junioren spricht. In Abwesenheit des lange verletzten Manuel Neuer hat er hier vor regelmäßig über 70.000 Zuschauern eine starke Saison 2017/18 als Stammkeeper des Rekordmeisters gespielt.
In den großen Stadien der Fußballwelt sieht einst auch Waslikowski seine persönliche Zukunft. Nach dem Realschulabschluss konzentriert er sich daher einzig und allein auf seine Fußballkarriere.
Nicht die beste Entscheidung, wie sich zeigen sollte.
IV. Das Ende aller Träume
"Timo war ein absolutes Supertalent. Er war ein super Typ, hat mir immer geholfen. Leider hat er sich dann mehrmals schwer verletzt. Es ist wirklich schade, einfach nur bitter."
- Ömer Toprak, heutiger Bundesliga-Profi von Borussia Dortmund
Wann sein Traum vom Profifußball zu bröckeln begann, das weiß Timo Waslikowski auch heute noch ganz genau. "Den Tag werde ich nicht vergessen: 30. November 2006", sagt er zwölf Jahre später, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Danach sagt er erst einmal nichts mehr. Es ist eines der Kapitel, über das Waslikowski nicht so gerne spricht.
Obwohl er noch für die A-Junioren spielberechtigt ist, gehört der damals 18-Jährige in der Saison 2006/07 schon zum Kader der Freiburger Amateure. Je nachdem, wie lange er dort samstags zum Einsatz kommt, hilft er sonntags auch noch in der U19 aus.
In der Wintervorbereitung, so erzählt er es heute, soll er mit den Profis unter Volker Finke ins Trainingslager fahren. Stattdessen wird er kurz vor Weihnachten zum ersten Mal am Knie operiert.
Eine simple Richtungsänderung im Training bremst Waslikowskis Aufstieg gnadenlos aus. Eine Bewegung, wie er sie schon tausende Male gemacht hat. An jenem 30. November 2006 aber bleibt er mit den Stollen im Rasen hängen. Die niederschmetternde Diagnose: Kreuzbandriss und Meniskusriss.
Ob es an der Doppelbelastung gelegen hat? "Rückblickend hätte ich da vielleicht die Reißleine ziehen müssen, sagen müssen, dass es körperlich nicht mehr geht", grübelt Waslikowski. Sicher ist er nicht, Vorwürfe macht er deshalb niemandem. Nur das Schuhmodell, das er an diesem Tag getragen hat, ist für ihn seither tabu.
Seinen Traum will er damals aber noch nicht aufgeben. Monatelang arbeitet er an seinem Comeback - bis ihm bei einem Torschuss in der Reha erneut der Meniskus reißt. Letztlich dauert es fast auf den Tag genau ein Jahr, ehe Waslikowski wieder bei einem Fußballspiel auf dem Rasen steht.
Ein Jahr - im gnadenlosen Rennen um die begrenzten Plätze im Profifußball eine Ewigkeit. Zumal Waslikowskis Knie weiterhin Probleme bereitet, zwei weitere Operationen werden nötig. "Irgendwann nach der dritten, vierten OP merkt man dann schon: Jetzt ist irgendwann Ende, mit der Profikarriere wird das nichts mehr", meint das einstige Toptalent rückblickend.
Einen letzten Versuch unternimmt Waslikowski noch: Nachdem sein Vertrag in Freiburg im Sommer 2009 ausgelaufen ist, schickt ihn sein neuer Berater zu einem Probetraining in die Türkei. Der Deutsche weckt das Interesse des Zweitligisten Karsyiaka SK, trainiert dort einige Wochen lang mit - aber das Knie macht sich wieder bemerkbar. Der Medizincheck zeigt: Waslikowski hält den Belastungen des täglichen Trainings nicht stand.
Zurück in Deutschland schließt er sich dem Oberligisten Kehler FV an, hinterlässt dort in fünf Spielen einen guten Eindruck. Dann schwillt das Knie erneut an, ein Knorpelschaden wird diagnostiziert. Es folgen die Operationen fünf und sechs. Waslikowskis Traum ist endgültig geplatzt.
Was aber ist die Alternative zur Karriere als Fußballprofi? Einen Plan B hat er nicht, sein ganzes Leben ist auf dieses eine Ziel ausgerichtet.
"Das ist etwas, das ich heute komplett anders machen würde", gesteht Waslikowski: "Da habe ich mich zu sehr nur auf Fußball eingelassen und habe nebenbei zu wenig gemacht. Wenn ich jetzt mit jüngeren Spielern rede, dann sage ich ihnen immer, dass das unglaublich wichtig ist."
Waslikowskis Glück im Unglück ist seine Vergangenheit als Vertragsfußballer: Die Berufsgenossenschaft, die zuvor bereits die Kosten für die langwierigen Reha-Maßnahmen übernommen hat, zahlt ihm eine monatliche Rente - und finanziert eine Umschulung.
Er selbst würde gerne eine Bäckerlehre machen, aufgrund der Knieprobleme kommen handwerkliche Berufe jedoch nicht infrage. Zu risikoreich, erklärt die Berufsgenossenschaft.
Und so beginnt Timo Waslikowskis neues Leben mit einer Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann.
V. Neuanfang in Liga 10
"Die Fußballkarriere habe ich abgehakt. Für mich ist mein Beruf wichtiger, meine Familie, mein Sohn. Ich muss ja mit 40 noch irgendwie laufen können, mit 50 will ich kein künstliches Kniegelenk haben."
- Timo Waslikowski
Wenn Timo Waslikowski heute auf dem Fußballplatz steht, dann macht er immer noch das, was er schon immer am besten konnte: Tore schießen.
Mit 47 Treffern in 29 Einsätzen schoss er seinen Heimatverein SV Gengenbach in der vergangenen Saison zum Aufstieg. Aktuell steht er nach 16 Partien als Spielertrainer des FC Ankara Gengenbach bereits bei 21 Toren. Bei dem kleinen türkischen Verein war in den 1990er-Jahren schon sein Vater als Trainer tätig, der Familienmensch Waslikowski schätzt das herzliche Umfeld.
Der Sportler Waslikowski ist in der Kreisliga noch immer eine Ausnahmeerscheinung. Die Bewegungsabläufe, das Auge für Spielsituationen, der Umgang mit dem Ball: Wer ihn spielen sieht, der erkennt schnell, dass Waslikowski auf hohem Niveau ausgebildet wurde. Auch seine Dynamik hat er sich bewahrt. Vielleicht nicht ganz auf dem Level aus Freiburger Zeiten, aber er ist immer noch fit. Fettpolster sucht man bei ihm vergeblich.
Timo Waslikowskis Vereine im Laufe der Jahre:
Bevor er 2017 für eine Saison zu seinem Heimatverein zurückkehrte, spielte Waslikowski bei verschiedenen Bezirks- und Landesligisten in der Region. Das Knie hat ihm seit Jahren keine Probleme mehr bereitet. Ob es an der geringeren Belastung liegt? Oder ist bei ihm eine neue Gelassenheit eingekehrt?
"Ich könnte mir schon vorstellen, dass es daran liegt, dass man einfach im Kopf lockerer ist. Man denkt gar nicht mehr so daran, spielt einfach Fußball", erklärt Waslikowski.
Auch die Frage "Was wäre gewesen, wenn …?" stellt er sich inzwischen immer seltener.
"So vor vier, fünf Jahren gab es den Gedanken schon noch öfter. Auch bei der WM 2014. Da habe ich ja zum Beispiel früher mit einem Jerome Boateng zusammengespielt - und die sind jetzt Weltmeister", sagt Waslikowski und grübelt dann doch noch einmal kurz: "Vielleicht hätte man da auch sein können, wenn man das bisschen Glück gehabt hätte."
Sein privates Glück hat er inzwischen bei Freundin Jenni gefunden, mit der er 2019 das erste gemeinsame Kind erwartet. Aus einer früheren Beziehung hat Waslikowski zudem schon einen fünf Jahre alten Sohn. Auch im Berufsleben hat er festen Boden unter den Füßen, arbeitet bei einem großen deutschen Medienkonzern im Vertrieb und Marketing.
Und wer weiß: Vielleicht gibt ihm der Fußball ja noch mal eine zweite Chance.
"Ich will jetzt Stück für Stück die Trainerscheine machen", kündigt Waslikowski an und berichtet: "Bei Ankara sagen sie jetzt schon, dass es nicht mein Ziel sein darf, bei ihnen zu bleiben, sondern dass ich mich als Trainer weiterentwickeln soll."
Dass dabei seine eigenen Erfahrungen im Umgang mit den Spielern ein großer Pluspunkt sind, steht für ihn außer Frage: "Die Spieler wissen, was ich fußballerisch kann, was ich auch erlebt habe, und was sie von mir lernen können. Das saugen sie dann gerne auf."
Als Spieler war Timo Waslikowski die ganz große Fußballbühne nicht vergönnt. Aber vielleicht ja irgendwann einmal als Trainer.