Nach dem verpassten direkten Wiederaufstieg des Hamburger SV in der vergangenen Saison war das Ziel für diese Spielzeit klar. Die Rückkehr in die Bundesliga sollte es jetzt bitte sein. Ohne Wenn und Aber.
Ex-Bosse rechnen mit HSV ab
Für dieses Ziel wurde mit Dieter Hecking einer der erfahrensten Trainer in Deutschland geholt.
Doch seit der 1:2-Niederlage beim 1. FC Heidenheim am Sonntag ist klar: Der Hecking-Elf droht ein weiteres Jahr 2. Liga! Für ganz Hamburg der Worst Case.
"Das Chaos beim HSV beobachte ich schon lange. Nach wie vor bin ich natürlich traurig darüber, was in dieser tollen Stadt aus dem Klub mit seiner 125 Jahre langen Geschichte geworden ist", sagt der frühere Präsident Jürgen Hunke (November 1990 bis Oktober 1993) im Gespräch mit SPORT1. "Ich habe es aber so kommen sehen. Selbst in der Relegation würde es der HSV nicht schaffen."
Bruchhagen: Alle werden scheitern"
Auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen (Dezember 2016 bis März 2018) findet bei SPORT1 deutliche Worte.
"Was beim HSV passiert, überrascht mich nicht. Alle handelnden Personen werden scheitern, weil die Mannschaft nicht genug Qualität hat."
Der 71-Jährige merkt selbstkritisch an: "Wir alle haben nicht dafür sorgen können, dass bessere Spieler kommen, sondern eine viel zu schlechte Mannschaft zusammengestellt."
Er wurde damals geholt, weil der Abstieg drohte. Dann lotste er Markus Gisdol zum HSV, verlor mit ihm in der Rückrunde kein Spiel mehr und am Ende konnte der Klassenerhalt gefeiert werden.
"Nachdem wir in der Saison danach die ersten beiden Spiele gewonnen haben, dachte ich, dass wir gut genug sind für die Bundesliga. Das war eine Fehleinschätzung", gesteht Bruchhagen.
Hunke: "Jetzt muss Kühne endlich liefern"
Hunke rechnet derweil knallhart mit den ehemaligen Verantwortlichen ab: "Bei allem, was die Leute da gemacht haben, ging es nicht darum, dem HSV zu helfen, sondern die meisten, die dort Verantwortung übernommen haben, wollten sich nur selbst helfen."
Bei den Rothosen gehe es zu wie in der früheren TV-Kultserie Dallas - "Jeder gegen jeden".
Das größte Problem des HSV? "Das ist weiter Herr Kühne", betont Hunke, der am milliardenschweren Investor des HSV kein gutes Haar lässt.
"Er hat Geld, aber kein Format. Das habe ich vom ersten Tag gedacht. Ich will Kühne gar nichts Böses, aber er muss jetzt endlich liefern, den Verein entschulden und nicht immer nur nachts per Mail Befehle raus geben und fordern, wer entlassen werden soll", schimpft Hunke.
"Dieses Verhalten gibt es in Fußball-Europa nur einmal. Und das führt zu diesen Ergebnissen. Alle leiden unter Kühne, denn es gibt gar keine Kommunikation mehr. Kühne soll den schaden, den er angerichtet hat, wieder gut machen."
Hunke: "Der HSV wird nie mehr gesund"
Auch der Aufsichtsrat bekommt sein Fett weg. "Da arbeiten nur Leute, die gar keine Verbindung zum HSV haben. Die tun so, als würden sie etwas vom Fußball verstehen." Fußball habe mit Tradition zu tun und auch mit einer kontinuierlichen Entwicklung.
Hunke lobt den Gegner vom Sonntag. "In Heidenheim haben sie seit 18 Jahren einen Trainer, in der Zeit hatte der HSV zwölf.
Die Kritik an Kühne gibt es schon länger, doch jetzt hat Hunke genug. "Der HSV wird nie mehr gesund, weil er abhängig ist von ihm. Er macht, was er will, obwohl er nur Minderheitsgesellschafter ist. In der Wirtschaft wäre so was gar nicht möglich."
Kühne sei das "Ur-Problem des HSV". Hunke hofft, "dass er das erkennt, sich zurückzieht und den Hamburgern die Möglichkeit gibt diesen Klub neu aufzubauen".
Das sollte eigentlich schon Ende März geschehen. Da nämlich einigten sich der ehemalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann und der Aufsichtsrat auf eine Auflösung seines noch bis zum 30. Juni 2021 laufenden Vertrags zum 11. April 2020. Hoffmann habe gespürt, glaubt Hunke, "dass da nichts mehr hinzukriegen ist und Gott sei Dank die Konsequenzen gezogen".
Aufsichtsrat als Assistenten von Kühne
Das Allerschlimmste ist für Hunke die Satzung, "die mit dem Gebrüll von tausenden von Leuten beschlossen wurde. Ohne vernünftige Satzung gibt es keine Demokratie. Alle dachten, Kühne kommt mit dem Geld wie bei Chelsea ein Abramowitsch, doch die Geldschleuse ging nicht auf".
Und weiter: "Keiner sieht beim HSV mehr Kritik, obwohl die zum Fußball dazu gehört. Die Satzung muss komplett neu gemacht werden, die schützt nur die Leute, die den HSV ausnehmen. Das Problem sind nicht Hecking oder Jansen, sondern die Herren im Aufsichtsrat, also die Assistenten von Herrn Kühne", poltert Hunke.
Ein Hauptkritikpunkt sieht er im System. "Wenn dieses nicht geändert wird, dann wird es immer schlimmer. Auch in Nürnberg und Hannover wurde nichts besser. der HSV braucht einen demokratischen Prozess."
Was kann dem HSV helfen? "Ich würde wie bei der Papst-Wahl die 30 besten Leute zwischen 40 und 50, die im Beruf etwas leisten, Charakter haben und noch ein Gefühl für den HSV haben, in einen Raum sperren und dann sollen sie eine neues Konzept entwickeln."