Die 3.500 Zuschauer im Alexandra Palace in London stöhnten zwei Mal laut auf, als Peter Wright gegen Michael van Gerwen drei Matchdarts im WM-Finale auf die Doppel-10 hatte.
Wrights steiniger Weg zum Titel
Die ersten beiden Pfeile landeten denkbar knapp an der Außenseite des wohl wichtigsten Doppelfeldes seiner Karriere. Der ein oder andere Fan in der Halle oder am TV-Gerät wird sicherlich im Hinterkopf gehabt haben, dass ein Verpassen dieser Matchdarts die Partie kippen lassen könnte. Zuvor hatte Wright gegen MvG alle zehn im TV übertragenen Finalduelle verloren - darunter neun Majors.
Doch mit dem dritten Dart räumte Wright alle Zweifel aus und machte sich selbst erstmals zum Darts-Weltmeister. Seine Emotionen übermannten ihn und Wright vergoss Freudentränen auf der Bühne des Ally Pally. Sichtlich bewegt stand er danach in einem TV-Interview Rede und Antwort. Doch als die Frage kam, welchen Anteil Wrights Frau Joanne am Titel hat, winkte der Schotte ab und konnte seine Tränen ein weiteres Mal nicht mehr zurückhalten.
Wright bedankt sich bei Familie
"Jo hat mich vom ersten Tag an unterstützt. Meine Familie hat alles mitgemacht. Das ist alles für sie heute", sagte Wright später am SPORT1-Mikrofon.
Joanne war es, die ihn 2010 ermunterte, es noch einmal als Darts-Profi zu versuchen. Zuvor war Wright lediglich bei der BDO-WM 1995 – damals noch dunkelhaarig und dunkel gekleidet – als Darts-Spieler in Erscheinung getreten. Er verlor aber in Runde eins gegen den späteren Champion Richie Burnett. Aus Wrights Sicht zu wenig, um mit Darts den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Stattdessen verdingte er sich als Reifenmonteur, Lagerarbeiter und Speditionsfahrer. Zwischenzeitlich war er sogar arbeitslos. Eine scheinbar ausweglose Situation, die er bereits aus seiner Kindheit kennt.
Wrights Vater verstarb früh, sodass die alleinerziehende Mutter beschloss, von Schottland aus nach London zu ziehen. Dort hielt sie mit gering bezahlten Servicejobs die Familie über Wasser. Im Alter von 13 Jahren bekam Wright seine ersten Pfeile geschenkt, doch weil das Geld nicht für ein Board reichte, zielte im Freien auf Bäume. Bereits damals schien sein Talent offensichtlich, doch Wright mochte nicht an die Profikarriere glauben.
Wright verändert Look
Stattdessen schlug er sich mit Geringverdienerjobs durch und lernte dabei Demut. In Londoner Darts-Ligen hielt er seine Leidenschaft fürs Pfeilewerfen nebenbei aufrecht. Noch im Jahr 2008 sammelte er lediglich 1.200 Pfund über das gesamte Jahr ein.
Mit der Unterstützung von Joanne wagte er sich 2010 aber auf die WM-Bühne der PDC, die nach und nach der BDO den Rang ablief. Doch statt eines dunkelhaarigen und schlicht gekleideten Mannes trat ein bunter Paradiesvogel mit dem Darts-Namen "Snakebite" – Wrights Lieblingsdrink – ans Oche. Der neue, teilweise schrille Look wurde zu seinem Markenzeichen und ließ ihn binnen kürzester Zeit zum Fanliebling werden.
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Doch der sportliche Erfolg bei großen Turnieren ließ noch auf sich warten, daher wurde Wright wieder von Selbstzweifeln geplagt und kündigte vor der WM 2014 an, dass er nach dem Turnier wieder einen richtigen Job machen werde. Ohne Druck trumpfte Snakebite plötzlich auf und stürmte ins Finale. Dort wartete mit van Gerwen aber ein übermächtiger Gegner, der den Überraschungsfinalisten deutlich in die Schranken wies.
Beflügelt durch den Finaleinzug glaubte Wright an seine Chance als Darts-Profi. Plötzlich konnte er Titel einfahren und auch finanziell verbesserte sich seine Situation schlagartig. Mit Ende vierzig wurde er zum Millionär und gönnte sich als einzigen bekannten Luxus ein paar Hühner im Hinterhof.
Wright mischte nun in der Spitze des Darts-Sports mit, doch bei den wichtigen Major-Turnieren ging er zumeist nicht als Sieger hervor. Schnell haftete ihm das Etikett des "ewigen Zweiten" an und Spötter bezeichneten ihn aufgrund seines optischen Auftretens als "Dartsclown".
2017 holte er bei den UK Open schließlich seinen ersten Major-Titel. Im vergangenen Jahr ließ er beim World Cup of Darts im Duett mit Gary Anderson eine zweite wichtige Trophäe folgen.
Häufiger Pfeilwechsel und Gallenstein-OP
Immer wieder bremste sich Wright aber selbst aus, indem er schon bei kleinsten Krisen noch während der Partie plötzlich die Darts wechselte. So waren Spiele mit mindestens drei unterschiedlichen Darts-Sets bisweilen keine Seltenheit für den Schotten. Zwischenzeitlich sorgte auch eine Gallenstein-OP für eine Formdelle.
Folgerichtig galt Wright für die WM 2020 nicht als Favorit, doch sie wurde schlussendlich die vorläufige Krönung. Bis es soweit war, musste Wright aber einige Widerstände durchbrechen. Bereits in seinem Auftaktmatch gegen Noel Malicdem setzte er sich erst im Sudden-Death-Leg durch.
Im Achtelfinale gegen den Niederländer Jeffrey de Zwaan sah Wright bereits wie der sichere Sieger aus, bevor de Zwaan eine Aufholjagd startete. Letztlich reichte es aber zum Weiterkommen.
Auch im Halbfinale, beim Hass-Duell gegen Gerwyn Price, behielt Wright die Nerven. Schließlich setzte er sich im Finale überraschend deutlich gegen seinen Angstgegner Michael van Gerwen durch und bot dabei neben spektaktulären Finishes auch eine starke mentale Leistung. Unbeeindruckt von van Gerwens teilweise furiosen Averages jenseits der 120 Punkte in einzelnen Sätzen behielt Wright kühlen Kopf und zeigte sich vor allem auf die Doppelfelder als eiskalter Vollstrecker.
"Wenn du immer hart arbeitest, belohnt dich der Weihnachtsmann irgendwann. Heute ist es soweit", erklärte er anschließend am SPORT1-Mikrofon sehr poetisch seinen WM-Triumph, der ihm auch Rang zwei in der PDC Order of Merit bescherte.
Der "ewige Zweite" ist nun ein Mitglied im Weltmeister-Klub.
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