Es war wohl für alle Darts-Fans ein Schock, als Jamie Lewis im September mitteilte, im Alter von nur 28 Jahren eine Pause einzulegen.
Das Comeback eines WM-Helden?
"Ich denke, es ist für mich an der Zeit, von dem Sport, den ich liebe, Abstand zu nehmen und mich auf mich selbst zu konzentrieren", erklärte der Spieler mit den Spitznamen "Rasta" und "The Fireball". Er habe sich "schreckliche Gewohnheiten" zu Eigen gemacht, die seine Gesundheit beeinträchtigen, so Lewis.
Mittlerweile steht Lewis wieder am Oche und feierte mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft im altehrwürdigen Alexandra Palace einen ersten Höhepunkt nach seinem Comeback. In einem spannenden Duell mit Robert Thornton setzte sich "The Fireball" mit 7:5 durch und holte sich eines der sechs Tickets beim PDPA UK Qualifier 2020.
Dazu war der Auftritt in der Ricoh Arena ein Fortschritt zu seinem Comeback beim International Darts Open in Riesa. Dort setzte es gegen den Deutschen Robert Marijanovic in der ersten Runde einen Whitewash. Nach dem Match, bei dem Lewis mit einem Drei-Dart-Average von 57,72 auf ganzer Linie enttäuschte, musste der Waliser - neben einigen aufmunternden Kommentaren - Beschimpfungen im Netz über sich ergehen lassen.
Lewis gesteht nach Beleidigungen Angststörung
Lewis postete zwei der privaten Nachrichten, die er via Twitter erhalten hatte, um das Ausmaß der Affronts deutlich zu machen. "Bitte hör auf, dieses Spiel zu spielen. Ein 60er-Average ist ein großer Witz", hieß es in einer der Botschaften.
Lewis reagierte wiederum in einem Post: "Ja, ich habe wie ein Idiot gespielt, aber ich muss wirklich mit diesem Mist fertig werden, wenn ich mich in mir wohlfühlen würde, wäre es eine andere Geschichte gewesen", schrieb der Darts-Profi.
Aber damit nicht genug: Er gab außerdem zu, dass Angst eine Rolle spielte. "Die Leute können lachen, mich verarschen, alles, was sie wollen, Angst ist absolut schrecklich", hieß es in einem weiteren Tweet.
Mit seinem Dreier-Average von 83 Punkten gegen Thornton befindet sich der Waliser auf jeden Fall auf dem richtigen Weg.
Marijanovic: "Leistung hat mich geschockt"
Marijanovic erklärte SPORT1, wie er Lewis' Zustand und dessen Ankündigung wahrgenommen hat.
"Da stecken wohl private Probleme dahinter. Er hat auch von Angstzuständen gesprochen. Er war dort (in Riesa, Anm. d. Red.) alleine und hat auf mich nicht unbedingt einen positiven Eindruck gemacht. Aber es ist natürlich schwer, das zu beurteilen", sagte Marijanovic: "Was mich geschockt hat, war seine Leistung. Es war zu sehen, dass es nicht nur ein schlechter Tag war, sondern dass da mehr dahintersteckt."
Der 40-Jährige erklärte: "Ich habe danach mit ihm geredet und ihm gesagt, dass ich hoffe, dass er das alles überwindet. Dass er wieder in die Spur kommt." Denn Lewis gehöre "normalerweise zu den Topspielern. Aber momentan plagen ihn Dinge, die wir nicht wissen und vielleicht auch nicht wissen sollen."
Hopp unterstützt Lewis
Unterstützung gab es auch von einem anderen deutschen Darts-Star. "Ich muss Jamie Lewis da jetzt auch mal voll in Schutz nehmen. Er hat sich nach dieser 0:6-Niederlage gegen Robert Marijanovic erstmals auch öffentlich über Twitter geäußert und berichtet, dass er an einer Angststörung leidet. Die hemmt ihn natürlich auch in seiner spielerischen Laufbahn", sagte Max Hopp im Interview mit SPORT1.
Auch bei Luke Humphries sei dieses Leiden aufgetreten, erklärte der "Maximiser". Dieser habe vor einem Jahr öffentlich darüber gesprochen, dass er sich in Therapie begeben habe. "Mit Lewis ist nun ein weiterer Spieler an die Öffentlichkeit gegangen und hat gesagt, dass der Leistungsdruck und die hohe mentale Anforderung, die unser Sport mit sich bringt, ihm einfach zu viel geworden sind. Für ihn ist es, glaube ich, die beste Lösung, etwas Abstand zur Tour zu gewinnen und sich in Behandlung zu begeben", so Hopp.
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Lewis im Halbfinale der Darts WM
Noch vor drei Jahren sah es so aus, als stünde Lewis eine große Karriere im Darts bevor.
Als erster Qualifikant in der Geschichte der PDC-WM stürmte er ins Halbfinale. Auf seinem Siegeszug, der erst in der Runde der letzten Vier gegen Darts-Legende Phil Taylor - es war dessen letzter Sieg der PDC-Karriere - endete, warf er sogar den an Nummer zwei gesetzten Peter Wright raus. In Runde drei traf er auf den erfahrenen James Richardson, der wie "Snakebite" eine 1:4-Niederlage hinnehmen musste. Im Anschluss nahm er Darren Webster nach allen Regeln der Kunst auseinander.
Auch wenn es ihm nicht gelang, als erster ungesetzter Spieler seit 1983 Weltmeister zu werden, schrieb Lewis bereits mit seinem Halbfinal-Einzug, der ihm ein Preisgeld von 85.000 Pfund einbrachte, Geschichte.
Seine Auftritte kamen einer sportlichen Wiederauferstehung gleich: Nur zwei Monate zuvor hatte der Waliser in einem Tweet über ein "sehr, sehr schwaches" Jahr gehadert und den Fokus bereits auf einen Neuanfang in der nächsten Saison gelegt. Lewis war frustriert, sich nicht direkt für die WM qualifiziert zu haben. So musste er den Umweg über die Vorrunde gehen.
Nach seinem größten Karriereerfolg ließen weitere bedeutende Errungenschaften auf sich warten. Auch in der Weltrangliste rutschte Lewis, der nach der WM 2018 noch auf Platz 46 geführt wurde, immer weiter ab. Heute findet sich der Familienvater nur noch auf Rang 59 wieder.
Doch nun steht ohnehin erst einmal die Gesundheit im Vordergrund. Und sollte Lewis dieser Schritt gelingen, dürfte auch einer erneuten Auferstehung nichts im Wege stehen. Mit seiner Qualifikation zur WM ist der erste Schritt getan - und mit Erfolgen im Ally Pally kennt sich "The Fireball" ja aus.