Eigentlich war alles schon entschieden.
Beim Team USA "steht alles still"
Auch wenn der Startschuss zur Basketball-WM in Spanien erst Ende August fällt (ab 30. August LIVE im TV auf SPORT1), schien eines schon seit Wochen festzustehen: Der Titel kann nur an die USA gehen.
Jene Basketball-Übermacht, die seit dem verlorenen WM-Halbfinale 2006 gegen Griechenland unaufhaltsam zu zwei Olympiasiegen und einem WM-Titel stürmte.
Jene Star-Auswahl, die ausschließlich mit NBA-Profis besetzt die Reise nach Spanien antreten wird.
"Alles steht jetzt still"
Seit Freitagabend aber hat sich die Ausgangslage auf einen Schlag verändert.
"Alles steht jetzt erst mal still - und das sollte es auch", sagte US-Coach Mike Krzyzewski: "Es wäre unangemessen, über irgendetwas anderes zu sprechen, wenn es zu einer derart schweren Verletzung kommt."
Die schwere Verletzung stellte sich wenig später als offener Schien- und Wadenbeinbruch heraus.
Bitterer Ausfall für Pacers
Der Leidtragende war Paul George: Leitfigur der Indiana Pacers, NBA-All-Star und ein nahezu sicherer Kandidat für den 12-Mann-Kader von Team USA für die WM.
21,7 Punkte, 6,8 Rebounds und 3,5 Assists pro Spiel sammelte George in der abgelaufenen Saison für die Pacers, in den Playoffs waren seine Statistiken sogar noch stärker.
Umso bitterer ist sein Ausfall für die Pacers, die George erst jüngst mit einem 90-Millionen-Dollar-Vertrag für die nächsten fünf Jahre ausgestattet hatten und die nun voraussichtlich die komplette Saison auf ihren Star verzichten müssen.
"Keinen Zweifel, dass er zurückkehrt"
"Wir sind zutiefst besorgt und mit all unseren Gedanken bei Paul", sagte Klubpräsident Larry Bird.
Über den Zeitpunkt einer Rückkehr und Georges Einsatzchancen in der kommenden Saison wollte Bird nicht sprechen: "Es ist viel zu früh, um darüber zu spekulieren. Die ersten Gespräche mit unseren Ärzten und denen in Las Vegas stimmen uns aber zuversichtlich. Wir hoffen, dass Paul nächste Woche nach Indianapolis zurückkehrt, um seine Reha hier fortzusetzen."
In Indiana ist man jedenfalls überzeugt, dass George komplett genesen wird.
"Ich habe erfahren, dass es nicht sein Karriereende bedeutet", sagte General Manager Kevin Pritchard dem "Indianapolis Star", nachdem er George im Krankenhaus besucht hatte. "Es wird keinen konkreten Zeitplan geben, aber ich habe keine Zweifel, dass er zurückkehrt."
Herber Verlust für Team USA
Auch für das Nationalteam bedeutet seine schwere Verletzung einen herben Verlust.
"Wir werden jetzt erst einmal ein wenig Zeit vergehen lassen, bevor wir die weitere Kaderplanung und solche Dinge angehen", kündigte Geschäftsführer Jerry Colangelo nach dem Schock an. Eigentlich sollte das Roster am Samstag auf 14 oder 15 Akteure gekürzt werden. Das alles sei aber zunächst vollkommen unwichtig.
Irgendwann aber werden sich die Verantwortlichen von Team USA ihrer Aufgabe stellen müssen - und gleichzeitig die Lücke schließen müssen, die George hinterlässt. "In der NBA besteht eine Brüderschaft. Und in Momenten wie diesen zeigt sie ihr Herz und ihre Tiefe", beschwor Krzyzewski seine Mannen.
Starke Spanier unter den Brettern
Mit seinen 2,06 Meter Körpergröße kann der 24-Jährige George sowohl Shooting Guard als auch Small Forward spielen. Vor allem seine Reboundstärke macht George dabei so wertvoll.
Zumal der wohl größte Konkurrent bei der WM gerade in dieser Hinsicht erbitterten Widerstand leisten wird.
Gastgeber Spanien wartet unter den Brettern ebenfalls mit geballter NBA-Power auf: Zu den Gasol-Brüdern Pau und Marc als prominenteste Big Men gesellen sich mit Blockmonster Serge Ibaka und Felipe Reyes von Real Madrid weitere reboundstarke Spieler.
Alle sammelten in der vergangenen Saison im Schnitt über sieben Rebounds pro Spiel.
"Haben uns Favoritenrolle verdient"
Mit dem Heimvorteil im Rücken hoffen die Spanier nach olympischem Silber 2008 und 2012 diesmal auf den ganz großen Triumph und den zweiten WM-Titel nach 2006.
"Wir haben uns die Favoritenrolle mit unseren Leistungen in den vergangenen Jahren verdient", erklärte Sergio Llull zuletzt selbstbewusst. Mit dem Ausfall von George dürften die Chancen der Iberer nicht gerade gesunken sein.
Die ersten Alternativen auf den Positionen zwei und drei - namentlich Chandler Parsons, Kyle Korver, James Harden, Klay Thompson oder Stephen Curry - sind zwar erstklassige Scorer, gelten aber nicht gerade als Defensivspezialisten.
Mitspieler wenden den Blick ab
Noch schwerer könnte die Tragödie um George für Krzyzewskis Team zudem in psychologischer Hinsicht wirken.
Schon beim Anblick der Szene, als ihr Teamkollege ungebremst gegen die Bodenverankerung des Korbes prallte, wandten zahlreiche Mitspieler sichtlich geschockt ihr Gesicht in die andere Richtung.
Inzwischen wird bereits spekuliert, dass nach dem Verzicht von Blake Griffin oder Kevin Love weitere Spieler auf die Reise zur WM verzichten könnten, um ihre NBA-Pläne nicht in Gefahr zu bringen. Die beiden Superstars LeBron James und Carmelo Anthony fehlen ebenfalls.
Aber egal, wer ab dem 30. August für die USA auf Korbjagd gehen wird, die Qualität des Titelverteidigers wird enorm hoch sein. Doch Paul Georges Drama macht den Kampf um Gold offener.