Der Aufschrei war groß bei Fabian Wiede, als er beim Spiel in Balingen unglücklich landete und umknickte. Das Rückraum-Ass der Füchse Berlin ahnte bereits, dass er sich schwer verletzt hatte.
Berlin-Schock: Jetzt spricht Hanning!
Seit Sonntag hat er nun Gewissheit. Eine Untersuchung ergab, dass er sich einen knöchernen Ausriss sowie eine Fraktur am rechten Sprunggelenk zugezogen hat. Sein Klub geht daher „von einem langfristigen Ausfall“ seines Star-Spielers aus.
Auf SPORT1-Nachfrage erklärte Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, dass sein Spieler aufgrund der Schwere der Verletzung Anfang Oktober operiert werden müsse. „Ich bin froh, wenn er zur Rückrunde wieder fit ist“, schilderte Hanning.
Der Ausfall von Wiede tue den Berliner „sehr weh“. Schließlich weiß der Macher ganz genau, dass die Verletzung sein Team in Personalnot bringt.
Füchse mit dünner Personaldecke im Rückraum
Schon vor Saisonbeginn war der Rückraum im Vergleich zu den anderen Top-Teams eher dünn besetzt. So fällt Paul Drux mit seinem Achillessehnenriss noch lange aus und wird erst im kommenden Jahr wieder einsatzbereit sein.
Zudem verließ Jacob Holm den Klub überraschend im Sommer. Der Regisseur schloss sich Paris Saint-Germain an und kann dort nun regelmäßig in der Champions League spielen - und damit in dem Wettbewerb, wo die Berliner gerne hin wollen.
Durch die Verletzung von Wiede stehen nur noch Mathias Gidsel, Lasse Andersson und Marko Kopljar, der jedoch fast ausschließlich in der Abwehr zum Einsatz kommt, als bundesligaerfahrene Kräfte zur Verfügung.
Dahinter befinden sich mit Nils Lichtlein und Matthes Langhoff noch zwei U21-Weltmeister im Team. Mit Max Beneke und Moritz Sauter gibt es zwei weitere Alternativen aus der deutschen Juniorenauswahl im Kader, die bisher ausschließlich für den Kooperationspartner, den VfL Potsdam, in der zweiten Liga zum Einsatz kamen.
Rocken die U21-Weltmeister in Berlin?
Diese vier deutschen Nachwuchshoffnungen könnten aus der schwierigen Lage nun Profit schlagen. Lichtlein und Langhoff deuteten in der aktuellen HBL-Saison bereits ihr Können an und gaben den Stammkräften wichtige Verschnaufpausen.
Besonders Lichtlein überzeugte bereits als Spielmacher. „Er ist so ein bisschen ein Spielertyp wie Gidsel. Man kann sie mit ihrem Eins-gegen-Eins schon vergleichen“, schwärmte U21-Bundestrainer Martin Heuberger bereits vor der Saison im SPORT1-Interview.
Über „viel Potenzial“ verfügen in den Augen von Heuberger auch Sauter und Beneke, die in Potsdam für Furore sorgen. Sauter war beim Pokal-Krimi gegen den ASV Hamm-Westfalen, den Potsdam in der Verlängerung mit 49:50 verlor, mit 16 Toren bester Werfer vor Beneke mit neun Buden.
Letztgenannter wird nun auch ins Erstliga-Team hochgezogen. „Wir sehen international derzeit keinen Spieler, den wir kriegen können, der besser ist als er“, erklärte Hanning bei SPORT1 den Grund für die Beförderung von Beneke. Bereits nach dem Holm-Abgang hatten die Berliner den Markt sondiert, bis auf Wunsch-Lösung André Gomes, der sich für einen Wechsel nach Saudi-Arabien entschied, hatten sie aber nichts gefunden.
Am vergangenen Wochenende hatte der 20-Jährige noch fleißig Werbung für sich betrieben. Im Spiel gegen den Dessau-Rosslauer HV warf er aus allen Lagen und netzte zehnmal bei zwölf Versuchen. Fraglich ist, ob er schon die Konstanz besitzt, um den höchsten Ansprüchen gerecht zu werden.
Die ungeschlagenen Berliner brauchen aber etwas Entlastung, denn der Druck lastete zuletzt viel zur sehr auf den Torgaranten Gidsel und Andersson. Mit 79 Treffern sind die beiden Superstars für rund 40 Prozent aller Tore der Berliner verantwortlich - ein unglaublich hoher Wert. Ob sie das Niveau angesichts des vollen Terminkalenders aufrecht erhalten können, wird sich zeigen.
Wiede-Ausfall mit Auswirkungen für die Heim-EM
Doch nicht nur die Berliner müssen umplanen, sondern auch Herren-Bundestrainer Alfred Gislason muss sich mit Alternativen beschäftigen. Schließlich steht im Januar die Europameisterschaft in Deutschland an.
Zwar hatte Wiede mit seinen Absagen für die WM 2021 und 2023, damals für eine Zahn-OP, für Unmut bei Gislason gesorgt, aber die beiden Parteien hatten sich zuletzt wieder angenähert. „Ich möchte die Heim-EM unbedingt spielen“, sagte Wiede im Mai. Dieser Wunsch scheint sich nun in Luft aufgelöst zu haben. „Ich sehe es als illusorisch an, dass er bei der EM spielen wird“, meinte Hanning zu SPORT1.
Dabei könnte die Mannschaft die Qualitäten des 29-Jährigen durchaus gebrauchen. Schließlich verfügt das DHB-Team im Rückraum über kaum Spieler, die konstant auf einem solch hohen Level spielen. Das zeigte nicht zuletzt die Weltmeisterschaft, denn dort war der rechte Rückraum nicht mehr das Prunkstück vergangener Tage.
Uscins als Nutznießer der Wiede-Verletzung
Der drohende Wiede-Ausfall dürfte die EM-Hoffnungen bei Renars Uscins wachsen lassen. Der Linkshänder der TSV Hannover-Burgdorf war bereits bei den A-Länderspielen im April dabei, ehe er im Sommer die deutsche U21 als Kapitän zum WM-Titel führte.
Im SPORT1-Interview schätzte er seine Chancen selbst als „eher geringer“ ein. „In der nächsten Saison muss ich meine Hausaufgaben machen in der Bundesliga“, meinte er. Mit 23 Toren ist er in der aktuellen Saison der treffsicherste deutsche Spieler, der für die EM in Frage kommt. Franz Semper (21), Christoph Steinert (16), Djibril M‘Bengue (15) und Kai Häfner (14) liegen allesamt hinter dem 21-Jährigen.
Vielleicht empfiehlt sich auch Beneke mit starken Leistungen für die EM. Wie Uscins war er beim vergangenen Lehrgang der Nationalmannschaft anwesend und konnte Werbung in eigener Sache machen.
Somit könnte die Wiede-Verletzung die Karriere zweier U21-Weltmeister in Schwung bringen. Denn Hanning macht im Hinblick auf Wiede klar: „Wir werden ihm die Zeit geben, die er braucht.“