Simon Schempp jubelte auf den Schultern seiner Teamkollegen und schrie immer wieder seine grenzenlose Freude heraus: Mit seinem furiosen Sieg im WM-Massenstart von Hochfilzen hat der 28-Jährige seinen Medaillenfluch mit einem großen Knall beendet.
Schempp feiert erste Einzelmedaille
"Ich habe lange auf diesen Tag gewartet und es endlich geschafft. Es ist einfach unglaublich", sagte der 28-Jährige, der zum Abschluss einer historischen WM den emotionalen Schlusspunkt setzte.
Der "Schemppion" siegte über 15 km vor dem Norweger Johannes Thingnes Bö und dem Österreicher Simon Eder - es war die Krönung der besten deutschen WM aller Zeiten.
"Das ist der Wahnsinn. Simon hat lange warten müssen und es nun endgültig allen Kritikern gezeigt", lobte Männer-Bundestrainer Mark Kirchner. Am Tag vor dem Rennen hatte Schempp noch eine SMS von seinem Mentaltrainer bekommen. Den Inhalt wollte er nicht verraten, aber die Folge: "Je öfter ich sie gelesen habe, desto freier war mein Kopf", sagte er.
Taktisch klug gelaufen
"Ich bin einfach nur happy, dass es endlich mal für ganz oben gereicht hat. Es war ein unglaublich tolles Rennen. Ich bin das Rennen taktisch angegangen und habe mir viele Körner gespart, weil ich bis zur letzten Runde viel im Windschatten gelaufen bin", sagte Schempp in der ARD.
"Das hat dann für den letzten Aufstieg gereicht. Das ist eine große Erlösung. Ich musste mich beim Gang durch die Mixed-Zone in den vergangenen Tagen immer rechtfertigen. Ich bin enorm stolz auf mich."
Die erste Einzelmedaille
Gold im Massenstart, seine erste Einzelmedaille überhaupt - endlich rief Schempp seine beste Leistung genau dann ab, als es darauf ankam. "Die vergangenen Tage waren nicht so leicht", sagte Schempp, der immer wieder auf seine schwarze Serie angesprochen worden war: "Aber gezweifelt habe ich nicht wirklich. Ich wusste, dass es irgendwann einmal aufgehen würde."
Schempp hatte bis zum Sonntag bei einer großen Veranstaltung noch keine Einzelmedaille gewonnen, sämtliche Erfolge feierte er als tapferer Einzelkämpfer nur in "normalen" Weltcup-Rennen. Bei den wichtigen Events, also dann, wenn es darauf ankam, war er zwar auch schon achtmal auf das Podest gestürmt.
Silber bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi sowie sieben WM-Medaillen gewann der Uhinger aber immer mit der Unterstützung seiner Teamkollegen in Staffel-Wettbewerben.
Durch seinen Triumph am Sonntag trat Schempp in die Fußstapfen von Michael Greis, der 2007 in Antholz zu Gold gestürmt war. Für die deutschen Männer hatte in Hochfilzen zudem Benedikt Doll Sprint-Gold gewonnen. Mit sieben Goldmedaillen und einmal Silber verbuchten die deutschen Skijäger um Fünffach-Weltmeisterin Laura Dahlmeier ihre beste WM-Bilanz aller Zeiten.
Der Schlusspunkt gebührte ausgerechnet dem, den alle schon abgeschrieben hatten.
Schempp beweist Nervenstärke
Schempp, dem immer wieder mentale Schwäche bei den wichtigsten Rennen vorgeworfen worden war, bewies am Schlusstag der Titelkämpfe vor 22.100 Zuschauern Stärke. Die Entscheidung fiel dabei erst auf der Schlussrunde - ausgerechnet an jenem Anstieg, an dem Schempp tags zuvor Staffel-Bronze an die Gastgeber um Schlussläufer Dominik Landertinger verloren hatte.
"Die Stelle hat er sich gemerkt und dann den Österreicher plattgemacht. Das war eine unglaubliche Energieleistung", sagte Kirchner. Schempp, stets den Blick nach vorne gerichtet, hatte es sich verdient.
Nach zwei fehlerfreien Schießeinlagen im Liegen befand er sich zur Halbzeit ebenso wie Arnd Peiffer, Erik Lesser und Doll noch auf Medaillenkurs - zwölf weitere Athleten allerdings auch, die zeitgleich dann das dritte Schießen in Angriff nahmen. Während Schempp und Peiffer hier abermals ohne Strafrunde blieben, schossen sich Doll mit zwei und Lesser mit drei Fahrkarten aus dem Medaillenrennen.
Krimi im letzten Schießen
Acht Männer, darunter eben Schempp und Peiffer, erreichten den Schießstand nach der vierten Runde praktisch zur selben Zeit. Das letzte Schießen entschied also über die begehrten Plätze auf dem Podest. Peiffer schwächelte, Schempp kam durch - der Titel und seine ersehnte erste Medaille war nach einer furiosen Schlussrunde die Belohnung.
Im Ziel lag Schempp, nun zwölfmaliger Weltcup-Sieger, 9,0 Sekunden vor dem Norweger Johannes Thingnes Bö, der im Wettkampf über 15 km eine Strafrunde drehen musste. Bronze sicherte sich der fehlerfreie Österreicher Simon Eder, der im Ziel 10,1 Sekunden hinter Schempp lag.
Nach schwachen Leistungen im bisherigen WM-Verlauf - Schempp war in keinem Einzelrennen an einer Medaille dran gewesen - zeigte der Schwabe im Massenstart der 30 besten Biathleten eine hervorragende Vorstellung. Nicht ein einziger der 20 Schüsse verfehlte das Ziel, in der Loipe wehrte er die Angriffe der heranstürmenden Konkurrenten mühelos ab.