Es ist bislang die Sensation der Australian Open – das Scheitern von Novak Djokovic in der 2. Runde gegen den Weltranglisten-117. Denis Istomin.
Die Gründe für die Djokovic-Krise
Für Djokovic war es das früheste Aus bei einem Grand-Slam-Turnier seit 2008. Sein Ex-Trainer Boris Becker erkannte seinen Ex-Schützling auf dem Platz gar nicht wieder. "Ich bin perplex über das Nicht-Da-Sein von Novak. Er hat viel zu defensiv und passiv gespielt, nie die Initiative ergriffen", sagte Becker bei Eurosport.
Aber nicht nur Becker rätselte über die krachende Pleite von Djokovic. Viele machten sich am Donnerstag Gedanken über die Gründe für den Absturz des früheren Weltranglistenersten.
Letztlich gibt es gleich mehrere Ursachen für die schwache Leistung des Serben. SPORT1 nennt Gründe.
- Mentales Loch
Djokovic stand im Juni 2016 auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft. Mit dem Sieg im French-Open-Finale gegen Andy Murray krönte er sein sportliches Lebenswerk. Es war der einzige Grand-Slam-Titel, der ihm noch gefehlt hatte.
Doch danach fiel es ihm schwer, sich neu zu motivieren, schließlich hatte er alles erreicht. In Wimbledon ereilte ihn wenige Wochen später das Aus in Runde drei gegen Sam Querrey.
"Nach Paris fehlte ihm die nötige Schärfe, dann kann ein Spiel sehr schnell an dir vorbeilaufen", erklärte Marian Vajda, langjähriger Coach von Djokovic. Ähnlich sah es auch im Match gegen Istomin aus, Djokovic strahlte keine Dominanz aus.
- Diskussion um Guru
Vorneweg: Pepe Imaz ist in Melbourne dem Vernehmen nach gar nicht vor Ort. Er soll der Hauptgrund für die Trennung von Boris Becker am Jahresende sein.
Die Welt kennt den inoffiziellen Nachfolger von Becker nur als Guru. Früher war er jedoch auch einmal Tennis-Profi. Und Djokovic beharrt darauf: "Pepe ist kein Guru, aber ich möchte keine Details nennen."
Muss er auch gar nicht, denn in einem Video ist im Web für jedermann ersichtlich, auf welch eigenartige Praktiken Imaz setzt. Dabei sitzt er unter anderem mit Djokovic, dessen Bruder Marko und der früheren Tennisspielerin Daniela Hantuchova in einem Stuhlkreis.
Imaz propagiert die Kraft der Umarmung und setzt auf das Motto "Frieden und Liebe". Von Tennis ist nicht die Rede.
Djokovic arbeitet schon länger mit dem Spanier zusammen. Als er nach Paris in eine Krise fiel, wandte er sich diesem stärker zu. Becker gefiel das nicht und für die Presse waren die kuriosen Eigenarten des Mentalcoaches ein gefundenes Fressen.
Allein die Diskussionen um Imaz trugen dazu bei, Djokovic aus der Balance zu bringen. Dabei sollte der "Guru" eigentlich sein inneres Gleichgewicht stärken.
- Private Probleme
Die Krise nach den French Open hatte auch private Gründe, das haben mittlerweile sowohl Becker als auch Djokovic bestätigt. "Es passierte während Wimbledon, aber das ist geklärt. Das Leben geht weiter. Alles ist wieder in Ordnung", sagte Djokovic dazu bei den US Open.
"Novak hat seinen Sieg in Paris ein bisschen zu sehr genossen", beschrieb Becker das Problem. Die private Krise führten auch dazu, dass Djokovic den nötigen Trainingseifer vermissen ließ. Er fokussiere sich nicht mehr genügend auf die Trainingsarbeit, lautete Beckers Vorwurf.
- Mangelnde Fitness
Djokovic wirkte vor allem im fünften Satz gegen Istomin ungewohnt matt. In früheren Jahren zog er gerade zu diesem Zeitpunkt des Matches den Gegnern den Zahn.
Martina Navratilova hatte schon vor dem Match in der Sports Illustrated gesagt: "Es scheint, als ob Djokovic keine Reserven hat. Man darf nicht zu dünn sein, nicht zu wenig Körperfett haben. Denn man braucht es, wenn man lange Matches spielt."
Navratilova spielt damit auf die vegane Ernährung des Serben an. Er hat schon vor einigen Jahren sein Essverhalten wegen einer Glutenunverträglichkeit komplett umgestellt, möchte sogar ein veganes Restaurant in Melbourne eröffnen.
Als Grund für die Krise kann dies aber nur bedingt herhalten, da Djokovic schon seit drei Jahren auf Fleisch verzichtet. Es galt sogar als eines seiner Erfolgsgeheimnisse, da er durch seinen drahtigen Körper besonders laufstark und beweglich sei.
Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich Djokovic zuletzt regelmäßig mit Verletzungen plagte. Im Vorjahr machte dem 29-Jährigen eine langwierige Ellbogenverletzung zu schaffen.
Nach 14 Jahren auf der mit Turnieren vollgestopften Profi-Tour ist körperlicher Verschleiß letztlich normal.
- Fehlen von Boris Becker
Lange schieden sich ja bei dieser Frage die Geister: Wie viel Anteil hat der dreifache Wimbledon-Champion an den Erfolgen von Djokovic?
Becker selbst gab zu, dass die tägliche Trainingsarbeit nicht das Entscheidende sei. Was das deutsche Tennis-Idol Djokovic aber einimpfte, war das absolute Siegergen. Mentale Stärke, aber auch Psychospielchen mit dem Gegner.
Und die Anwesenheit Beckers bei wichtigen Matches auf der Tribüne tat Djokovic gut. "Novak sucht einen Hafen der Ruhe, einen Anker, wo er sich ausruhen kann", beschrieb Becker einst seine psychologische Wirkung.