Dreimal in Wimbledon gewonnen, zweimal bei den Australian Open, einmal bei den US Open, insgesamt 49 Turniersiege - die Liste der Erfolge, die Boris Becker in seiner Karriere feierte, ist verdammt lang. Doch mit einer Sache wollte es nie klappen.
Eine heikle Andeutung Boris Beckers, die für viel Ärger sorgte
Beckers bitterste Niederlage
Niemals gewann der Mann, der mit seinem Wimbledon-Sieg 1985 einen deutschen Tennis-Urknall auslöste, ein Turnier auf Sand. Sechsmal stand Becker auf dem ungeliebten Belag im Finale, sechsmal fand er seinen Meister - mal in Pete Sampras, mal in spanischsprachigen Spezialisten wie Sergi Bruguera, Alex Corretja, Alberto Mancini oder dem kürzlich verstorbenen Juan Aguilera.
Besonders schmerzhaft war allerdings heute vor 30 Jahren ein verlorenes Endspiel, das Becker später als „schlimmste Niederlage” seiner gesamten Karriere bezeichnete: das gegen Thomas Muster am 30. April 1995 in Monte Carlo.
Indirekte Doping-Vorwürfe Beckers schlugen Wellen
Mit 2:0 lag Becker nach Sätzen vorn, hatte im vierten Durchgang zwei Matchbälle gegen den Österreicher, der damals als der überragende Spieler auf Sand galt. Nie zuvor und nie danach war Becker dem Triumph auf dem Ascheplatz näher. Doch er vergab beide Möglichkeiten, die zweite nur um wenige Zentimeter, und verlor auch dieses Endspiel.
Im entscheidenden fünften Satz hatte Becker letztlich keine Chance mehr und kassierte mit 0:6 sogar die Höchststrafe - 4:6, 5:7, 6:1, 7:6, 6:0 hieß es letztlich aus Musters Sicht.
Besonders bemerkenswert: Muster war angeschlagen, musste nach seinem Halbfinalsieg gegen den Italiener Andrea Gaudenzi wegen einer Unterzuckerung im Krankenhaus behandelt werden. Becker erwartete wohl ein leichteres Spiel und sah sich arg getäuscht.
Der Kampfgeist seines Gegners erwischte Becker damals auf dem falschen Fuß. Groß war der Ärger darüber - so groß, dass er sich zu Aussagen gegen Muster hinreißen ließ, die als indirekte Dopingvorwürfe gelesen wurden. „Im Halbfinale war er quasi am Sterben, am Tag darauf gewinnt er das Endspiel in fünf Sätzen. Da passt irgendwie was nicht zusammen”, sagte der mittlerweile 57-Jährige - was hohe Wellen schlug.
Becker und Muster: Ein lange schwieriges Verhältnis
Musters Manager Ronnie Leitgeb reagierte empört, sein Schützling wiederum unterzog sich am Dienstag nach seinem Sieg einem freiwilligen Dopingtest, der negativ ausfiel. Für Becker - der später erklärte, seine Äußerungen seien ihm in den Mund gelegt und in einen falschen Kontext gesetzt worden - gab es von der ATP eine Geldstrafe von 20.000 Dollar.
„Wenn man etwas so sehr will wie Becker, dann funktioniert das nicht. Daran sind schon viele große Spieler zerbrochen”, kommentierte Muster seinen Triumph über Becker, der aus seiner Sicht an sich selbst gescheitert war.
Das Verhältnis der beiden ehrgeizigen Altersgenossen war nicht nur wegen des damaligen Spiels und des Drumherums lange angespannt, erst nach dem Karriere-Ende beide besserte es sich.
Beckers Sandplatz-Fluch hielt an
Beflügelt vom Triumph in Monte Carlo legte Muster sechs Wochen später nach, wurde bei den French Open seiner Favoritenrolle gerecht, gewann in Roland Garros mit einem klaren Drei-Satz-Sieg im Finale gegen Michael Chang seinen einzigen Grand-Slam-Titel - und avancierte zur Nummer eins der Welt. Auch im Fürstentum war der heute 57-jährige Steirer nicht nur 1995 erfolgreich, in den Jahren 1992 und 1996 siegte er ebenfalls.
Becker hingegen trauerte der Niederlage gegen Muster noch lange nach und sehnte das Ende seines Sandplatz-Fluchs vergeblich herbei - zumindest im Einzel.
Nicht unwichtig zu erwähnen ist nämlich, dass Becker auf Sand einen seiner größten Siege feierte: das Doppel mit Michael Stich bei den Olympischen Spielen in Barcelona. Dass Becker damit nur einen Teilfrieden mit dem ungeliebten Belag schloss und der Fluch ihn dennoch weiter wurmte, war drei Jahre später für jeden zu spüren.