Am kommenden Wochenende steigt in Oschersleben der Saisonauftakt des ADAC GT Masters und der ADAC Formel 4.
"Traue Schumacher das Podium zu"
SPORT1 berichtet am Samstag und Sonntag umfassend über fünf Stunden live im Free-TV. Bei den Übertragungen geht SPORT1 mit einem neuem On-Air-Trio ins Rennen: Neben Moderatorin Julia Josten und Kommentator Jan Stecker ist Patrick Simon als Experte im Einsatz.
Der 40 Jahre alte Wiesbadener startete seine Rennfahrer-Karriere im Kartsport. In seiner weiteren Laufbahn war er unter anderem im Porsche Carrera Cup, in der Deutschen Tourenwagen Challenge und bei diversen Rennen auf der Nordschleife unterwegs. Zu seinen größten Erfolgen gehören die Klassensiege in der European Le Mans Series und beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring. Außerdem gewann er sowohl die deutsche als auch die europäische Meisterschaft in der Formel Ford.
Im Interview spricht Simon über seine Erwartungen an die neue Saison, ehrlichen Motorsport und den Hype um Mick Schumacher.
SPORT1: Die ADAC Formel 4 feiert in diesem Jahr ihre Premiere als neue Nachwuchsserie im Formelsport. Was ist alles neu außer dem Namen?
Patrick Simon: Es gibt ein komplett neues Auto mit einer neuen Antriebseinheit, mit dem man jetzt − von der FIA ausgeschrieben − den Nachwuchs-Formelsport neu aufstellen möchte. Und das Paket scheint so gut zu sein, dass 42 Fahrer der Meinung sind, dass das der richtige Weg ist, um die ersten Schritte im Automobilrennsport zu gehen. Das erinnert mich ein bisschen an meine Formel-Ford-Zeiten, wo man sich in einer weltumspannenden Formel-Nachwuchsserie, zunächst in den nationalen Serien die ersten Sporen verdienen musste. Dann gab es internationale Events wie Europameisterschaften und Weltfinals, wo alle nationalen Meisterschaften ihre Besten hingeschickt haben. Das ist eigentlich das, was du brauchst, um als junger Nachwuchsfahrer auf dich aufmerksam zu machen, um dann möglicherweise im Anschluss den Schritt ganz nach oben in die Königsklasse zu gehen.
SPORT1: Was erwartest Du Dir von der ADAC Formel 4 in diesem Jahr?
Simon: Da kann man vor allem Eines erwarten: Allerbesten Motorsport! Vielleicht sogar den besten Motorsport, den man dieses Jahr in Deutschland zu sehen bekommt. Das sind junge Talente, die zum Teil ihre Rookie-Saison fahren und direkt aus dem Kartsport kommen. Dann gibt es Piloten, die schon eine Saison im Formel-Rennsport hinter sich haben und jetzt den ersten Meistertitel wollen. Da trifft also alles aufeinander. Es wird sicherlich auch packende Rad-an-Rad-Duelle mit der ein oder anderen abknickenden Radaufhängung geben. Ich glaube, die Formel 4 wird uns viel Freude bereiten.
SPORT1: Natürlich ist die Serie bereits jetzt schon stark mit dem Namen Mick Schumacher verbunden. Wie bewertest Du seinen Start?
Simon: Man muss ihm, wie bei so vielen jungen Nachwuchspiloten, einfach auch Zeit geben. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es sind seine erste Schritte, die er im Automobil-Rennsport geht. Wenn er den Spaß an der Sache behält, wird er seinen Weg machen. Es wird auch ein Stück weit von den Medien abhängen, inwieweit er sich einfach auch entwickeln darf. Es gibt zahlreiche Beispiele aus anderen Sportarten, wo junge Talente schon in den Himmel gelobt wurden, die dann aber mit dem erzeugten medialen Druck nicht umgehen konnten. Da finde ich es mehr als fair, dass er die gleiche Chance wie alle anderen bekommt, sich einfach aus dem Kartsport heraus zu entwickeln. Er darf sich auch mal drehen, er darf auch mal im Kiesbett stecken, deswegen muss es nicht gleich die große Schlagzeile geben. Das würde ich dem Jungen einfach wünschen.
SPORT1: Trotzdem natürlich auch die obligatorische Frage: Was traust Du ihm in seiner Debütsaison zu?
Simon: Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn dieses Jahr auf dem Podium sehen werden. Er hat im Kartsport seine Erfolge gehabt, aber das Talent hängt ganz entscheidend mit dem Spaß zusammen, den die jungen Kerle daran haben. Wenn er Spaß hat, wird er erfolgreich sein!
SPORT1: Du warst ja selber mal im Kartsport und anschließend im Formelsport aktiv. Wir groß ist die Umstellung für Mick Schumacher und für viele andere?
Simon: Es ist für alle der erste Schritt auf die große, weite Rennstrecke. Die Kartstrecken mit maximal 1000 Metern Länge haben eine Fahrbahnbreite von fünf, sechs Metern. Und dann steigst Du in das neue Auto ein und musst Dich mit ganz neuen Dingen auseinandersetzen. Man muss ein Gefühl für die neuen Situationen und die höheren Geschwindigkeiten aufbauen. Auch die Zweikämpfe werden anders geführt. Da kann man sich nicht mehr so leicht anlehnen, wie das vielleicht noch im Kart der Fall ist. Aber im Endeffekt wachsen sie mit ihren Aufgaben und bekommen auch die entsprechende Unterstützung. Sie kommen ja nicht nach Oschersleben und fahren ihre erste Runde. Alle haben sich auf die Saison vorbereitet und entsprechende Testfahrten absolviert. Sie wissen, was es heißt, einen stehenden Start zu fahren. wie eine Kupplung funktioniert und wie man schaltet. Es gibt Jungs und Mädels, die sind gerade mal 15 Jahre alt und haben schon mehr Kilometer auf der Rennstrecke runter gerissen, als manch einer in zehn Jahren auf der Autobahn.
SPORT1: Am Kommentatoren-Platz wird es in diesem Jahr eine neue Kombination geben. Du wirst die Übertragungen am Mikrofon zusammen mit Jan Stecker begleiten. Wie sieht Eure Aufgabenverteilung aus?
Simon: Bei den GT-Masters-Rennen werde ich an der Seite von Jan meine Expertisen zum Besten geben. Bei der Formel 4 werde ich dann alleine kommentieren. Beides habe ich in der Vergangenheit auch schon für kabel eins praktiziert. Jan macht das Ganze zwar schon ein Jahr länger als ich, aber eben hauptsächlich als Moderator in der Boxengasse. Jetzt wartet am Mikrofon eine neue Herausforderung auf ihn. Ich bin davon überzeugt, dass seine Handinnenflächen zum Start am Samstag deutlich feuchter sein werden als meine.
SPORT1: Was hat sich denn beim ADAC GT Masters in der neuen Saison im Vergleich zu den Vorjahren geändert?
Simon: Es gibt einen neuen Einheitsreifen aus dem Hause Pirelli, den alle fahren. Ansonsten wird es bei den Fahrerpaarungen nochmal einen Tick interessanter und spannender. Wir haben Piloten dabei, die viel Erfahrung haben und schon viele GT Masters-Rennen gefahren sind. Daniel Keilwitz hat zum Beispiel schon einen Titel und 16 Einzelsiege eingefahren. Der weiß sicherlich, wie das geht. Aber wir haben auch viele neue Gesichter dabei. Dazu gibt es natürlich mit Bentley einen neuen Hersteller, außerdem ist Nissan wieder da. Alles in allem ist das eine sehr interessante Mischung.
SPORT1: C. Abt Racing hat in den vergangenen beiden Jahren die Teamwertung gewonnen. Sind die Allgäuer auch in diesem Jahr der Topfavorit?
Simon: Die 16 Meisterschaftsläufe zeigen in der Regel, dass es kein dominierendes Team gibt. Es gibt Teams, die immer vorne mitmischen, dazu zählt auch die Mannschaft rund um Christian Abt. Aber es gibt durchaus Paarungen, die mindestens genauso gut sind. Wenn ich mir zum Beispiel den BMW Z4 von Schubert mit Jens Klingmann und Dominik Baumann anschaue: Das ist eine superstarke Paarung! Auch der Zakspeed-Flügeltürer mit Luca Ludwig und Sebastian Asch wird sicherlich ein Brett werden und davon gibt es einige Autos, die durchaus für einen Erfolg in Frage kommen.
SPORT1: Im Gegensatz zur Teamwertung konnte bislang in der Fahrerwertung noch nie jemand seinen Titel verteidigen. Auf was führst Du das zurück?
Simon: Das liegt an der hohe Leistungsdichte. Es gibt hier keine Dominanz, wie wir es beispielsweise in der Formel 1 erleben. Das sind Autos, die über gewisse Parameter so eingenordet werden, dass es eine hohe Ausgeglichenheit gibt: Stichwort Balance of Performance! Und die Professionalität aller Teams und Fahrer ist einfach ein Garant dafür, dass es keine Seriensieger gibt. Zudem haben wir immer wieder Piloten-Duos, die sich verändern. Es gibt Fahrer, die abwandern: Zum Beispiel Maxime Martin und jetzt Maximilian Götz in die DTM oder Rene Rast zu Audi ins LMP1-Programm. Es gibt eine Fluktuation bei den Fahrern. Und zwar nicht, weil sie in Rente gehen, sondern weil sie den Sprung in die höheren Motorsport-Ligen schaffen.