Gina Lückenkemper stürmte ins Ziel und schaute kurz nach links auf die Anzeigentafel. Und was die erst 20-Jährige da sah, ließ sie vor Freude erst aufschreien, dann schlug sie sich die Hände vor das Gesicht. 10,95 Sekunden über 100 m, erstmals die Schallmauer von elf Sekunden geknackt. Und das auf der ganz großen Bühne bei der Leichtathletik-WM in London.
Lückenkemper knackt Schallmauer
"Es war einfach ein geiler Lauf", sagte Lückenkemper, nachdem sie in London ins Halbfinale (So., ab 20.10 Uhr im LIVETICKER) gerannt war und ihre Bestleistung von den deutschen Meisterschaften um sechs Hundertstelsekunden verbesserte.
Pinto mit Fehlstart-Fiasko
"Es hat sich in Erfurt schon angedeutet, dass es möglich ist. Ich habe mir gesagt, diesmal rennst du auch im Vorlauf durch", sagte die Dortmunderin, die sogar einige Freudentränen verdrückte: "Damit du es endlich schaffst."
Als bisher letzte Deutsche war Katrin Krabbe mit 10,91 bei ihrem WM-Titel 1991 in Tokio unter elf Sekunden geblieben, als sie 10,91 im Halbfinale und im Endlauf 10,99 sprintete. In dieser Form ist Lückenkemper sogar eine Kandidatin für das große Finale am Sonntag (So., ab 22.45 Uhr im LIVETICKER). Tatjana Pinto wurde nach einem Fehlstart disqualifiziert.
Magische Marke durchbrochen
Lückenkemper gilt im Deutschen Leichtathletik-Verband schon lange als riesiges Talent, im vergangenen Jahr holte sie bei der EM in Amsterdam Bronze. Zudem genießt die Blondine die Aufmerksamkeit, sie redet gerne, viel und wie auf der Bahn ist sie auch mit ihrem Mundwerk schnell. Gerne kokettiert die Wirtschaftspsychologie-Studentin auch damit, dass sie vor einem Rennen schon einmal eine Bratwurst vertilgt und auch mit dem Auto Vollgas gibt.
Und endlich hat sie jetzt auch die magische Marke gebrochen.
"Mich freut das unfassbar, da ich gerade heute morgen im Netz nochmal gelesen habe, dass Leute daran gezweifelt haben, dass ich das kann, dass Leute daran gezweifelt haben, dass ich das hier kann", sagte Lückenkemper: "Daher bin ich umso glücklicher, denen gezeigt zu haben: Ätsch, ihr Lieben, ich kann das doch, ich kann sehr wohl. Ich wusste, dass es in mir steckt, mein Coach wusste, dass es in mir steckt. Es ist unbeschreiblich schön, dass es jetzt geklappt hat, dass wir damit ein Zeichen setzen konnten."
Thompson und Bowie souverän
Dieses Zeichen gesetzt zu haben, war Lückenkemper besonders wichtig. Denn die schnellen Läuferinnen und Läufer des DLV waren in den vergangenen Jahren ja nicht besonders überzeugend, Julian Reus war erst am Freitag über 100 m im Vorlauf gescheitert. "Deutscher Sprint ist geil, deutscher Sprint kann auch was", stellte Lückenkemper jetzt fest. Mit ihren 10,95 Sekunden liegt sie nun auf Platz sechs der ewigen deutschen Bestenliste, alle fünf vor ihr platzierten Sprinterinnen liefen ihre Bestzeiten in der 80er Jahren im DDR-Trikot.
Auch die Top-Favoritinnen hinterließen wie Lückenkemper einen starken Eindruck. Olympiasiegerin Elaine Thompson (Jamaika) und die starke US-Amerikanerin Tori Bowie liefen mit angezogener Handbremse 11,05 Sekunden, Europameisterin und 200-m-Weltmeisterin Dafne Schippers (Niederlande) zeigte bei ihren 11,08 Sekunden ebenfalls nicht ihr volles Potential. Titelverteidigerin Shelly-Ann Fraser-Pryce (Jamaika) legt eine Babypause ein.