Seit Oktober 2015 schwingt Jürgen Klopp das Zepter beim FC Liverpool. Nachdem seine erste Saison noch durchwachsen verlief und die Reds einen Europapokalplatz verpassten, sieht es nun deutlich besser aus.
Klopp: Konkurrenz wirft nicht mit Wattebäuschen
Mit einem 1:0-Sieg bei West Bromwich Albion verschaffte sich Liverpool am Sonntag eine gute Ausgangslage im Kampf um einen Champions-League-Platz.
Im ersten Teil des exklusiven SPORT1-Interviews spricht Klopp über den Endspurt im Rennen um die Königsklasse, die Unterschiede zwischen der Premier League und der Bundesliga sowie sein Leben auf der Insel (das Interview ist am Dienstag ab 19 Uhr in Bundesliga Aktuell im TV auf SPORT1).
Jürgen Klopp über…
…die Chance auf die Champions-League-Qualifikation:
"Das ist ein schwieriges Unterfangen und hängt stark von unserem Auftreten ab. Wir haben in dieser Saison nicht sonderlich viele Spiele verloren. Und wenn, dann war das nicht gegen eine der Mannschaften aus den Top 7. Deswegen fühlt sich das für einige Leute so an, als ob wir da Punkte haben liegen lassen. Wir haben es selber in der Hand, uns für die Champions League zu qualifizieren."
…ein mögliches Karriereende in Liverpool:
"Ich werde am Ende meiner Karriere keine zehn Vereine haben. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass es am Ende drei waren. Und sollte aus irgendwelchen Gründen noch ein vierter dazukommen, das wäre dann immer noch eine überschaubare Zahl. Dass ich jetzt noch zum Vereinshopper werde, ist nicht wahnsinnig wahrscheinlich. Dementsprechend fällt es mir sehr leicht, mich auf das, was ich mache, komplett einzulassen, weil es immer Langzeitprojekte sind."
…den Druck in Liverpool:
"Sollte ich tatsächlich hier meine Vertrag erfüllen dürfen, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass wir auch irgendetwas gewonnen haben werden. Ansonsten könnte es auch hier irgendwann ungemütlich werden, wenn nicht die maximale Perspektive zu erkennen ist. Das wird in Liverpool irgendwann wieder erwartet werden. Auch jetzt schon, auch wenn keiner denkt, dass wir das heute oder gestern schon gemacht haben müssen."
…die Unterschiede zwischen Premier League und Bundesliga:
"Die Liga ist super intensiv, die verlangt dir echt was ab. Zur Bundesliga ist da nochmal eine Schippe draufgepackt. Weil es mehr Mannschaften gibt, zwei Cupwettbewerbe mit Wiederholungsspielen, oder zwei Halbfinals im Ligapokal. Dementsprechend werfen die ganzen Mannschaften, mit denen du um die Top-Positionen kämpfst, jetzt auch nicht unbedingt mit Wattebäuschen. Die sind finanziell ganz ordentlich aufgestellt und haben dadurch eine Riesenqualität im Kader."
...englische Vereine in der Champions League:
"Dass englische Vereine in der Champions League in den letzten Jahren nicht so performt haben, liegt auch daran, dass die Intensität der Liga immer größer geworden ist. Der Wettkampf wird immer größer. Das Geld ist da, es ist wie ein geschlossener Kreislauf. Das ist ja nicht weg, das hat nur jemand anders. Deswegen sind die Ablösesummen in England für Spieler auch wahnsinnig hoch. Das Geld wird einfach umverteilt. Wenn die im Ausland dann zugreifen, dann ist auch Finanzkraft da. Die Kader sind wirklich stark. Aber die Anzahl der Spiele kostet Kraft, und das hat zum Beispiel Monaco gegen Manchester City ausgenutzt."
…Liverpools Traum von der Meisterschaft:
"Es gibt für uns nichts zu zweifeln, sondern daran zu arbeiten, dass wir es irgendwann schaffen. Wenn man davon überzeugt ist, dass die richtigen Leute daran arbeiten, dann darf man auch daran glauben. Ich glaube daran, dass so eine gemeinsame Herangehensweise das deutlich wahrscheinlicher macht."
…die Ausrichtung und Organisation des FC Liverpool:
"Der Verein wird ausschließlich durch mein Gesicht repräsentiert. Und es gibt unterschiedliche Gründe, warum das nicht so viel Sinn macht. Ein paar sind optisch (schmunzelt). Man könnte ein paar Dinge auf mehrere Schultern verteilen, um in verschiedenen Situationen an mehreren Fronten gleichzeitig mit einhundert Prozent kämpfen zu können. Diesen Job soll Peter Moore übernehmen. Er hat nicht nur bei EA Sports erfolgreich gearbeitet. Er ist Liverpooler, ist in die USA ausgewandert, um dort erfolgreich zu arbeiten. Er freut sich ohne Ende, seinem Verein jetzt vorstehen zu können. Das ist eine ganz tolle Wahl und großartige Geschichte. Ian Ayre war eine ganz wichtige Person. Aber er ist jetzt ja nicht mehr da. Diese Position musste schon ausgefüllt werden."
…die Ansicht, er hebe Liverpool auf eine andere Ebene:
"Das klingt komisch, aber ja! Das ist aber auch dringend notwendig. Wir haben ein tolles Trainingsgelände, das aber limitiert ist. Fußball-England wird nicht kleiner in den nächsten Jahren. Man kann dann entweder auf etwas reagieren, was sich verändert hat, oder man entscheidet sich für etwas, damit man in der Zukunft schon besser vorbereitet ist. Und das tun wir mit unserem neuen Trainingsgelände."
…die Nachwuchsarbeit:
"Hier ist jeder davon überzeugt, dass Nachwuchsarbeit absolut notwendig und sinnvoll ist, das auch selber zu tun. Wir wollen mit der Profimannschaft zur Akademie gehen. Der Platz ist da, die Besitzer unterstützen das auch. Das ist ein langfristiges Projekt, sie sind bereit, Investitionen zu tätigen, haben uns eine neue Tribüne hingestellt, die ihresgleichen sucht."
…die Transfersperre:
"Es ist nicht so, dass der 12-Jährige im nächsten Jahr bei mir im Kader gestanden hätte. Ein Transferbann ist nicht cool. Es ist schwierig, darüber mehr Auskunft zu geben. Wir haben uns nicht arg viel anders verhalten als andere Vereine, dass wir uns da an den Pranger stellen müssten."
…sein Leben in Liverpool:
"Die Sprache fällt mir mittlerweile leichter, auch wenn ich noch wahnsinnig weit davon entfernt bin, perfekt zu sprechen. Aber beim Verstehen sind wir nah dran, dass man ziemlich normale Gespräche führen kann, ohne jedes einzelne Wort zu übersetzen. Privat sind wir absolut gesettlet. Wir haben viele nette Leute kennengelernt. Ansonsten ist es ein Job, den man nahezu überall auf der Welt ausüben könnte."