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Raphael Honigstein zum Premier-League-Debakel in der Champions League

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Raphael Honigstein zum Premier-League-Debakel in der Champions League

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Das Geldproblem der Premier League

Die Premier League schaut trotz schier unbegrenzter Finanzmöglichkeiten in der entscheidenden Phase der Champions League nur noch zu. SPORT1-Kolumnist Raphael Honigstein sieht darin die Bestätigung einer verheerenden Entwicklung.
Arsene Wenger vom FC Arsenal schaut enttäuscht zu Boden
Arsene Wenger vom FC Arsenal schaut enttäuscht zu Boden
© Getty Images
Die Premier League schaut trotz schier unbegrenzter Finanzmöglichkeiten in der entscheidenden Phase der Champions League nur noch zu. SPORT1-Kolumnist Raphael Honigstein sieht darin die Bestätigung einer verheerenden Entwicklung.

Wo soll man anfangen? Vielleicht mit der Nummer "Fünf". Von 33 Spielern in den Startformationen von Chelsea, Arsenal und Manchester City im Achtelfinale waren exakt fünf Engländer: Danny Welbeck (Arsenal), Gary Cahill, John Terry (beide Chelsea), James Milner und Joe Hart (beide Manchester City). In der laufenden Premier-League-Saison liegt der Anteil der einheimischen Kicker mittlerweile übrigens auch nur noch bei 30 Prozent. Englische Trainer in der Champions League? Fehlanzeige. In den vergangenen zehn Jahren hat nur ein einziger Engländer - Harry Redknapp, mit Tottenham - Erfahrung in der Königsklasse machen dürfen. 

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Die englische Liga ist schon lange keine englische Liga mehr. Das macht zu einem Großteil ihre globale Attraktivität aus, erweist sich aber im internationalen Vergleich immer mehr als Nachteil. Fast sämtliches Know-how, was Spieler- und Trainerpersonal angeht, wird aus dem Ausland importiert, weil es den Inselbewohnern an geeigneter Qualifikation mangelt. Mit den unzähligen Fernsehmilliarden lässt sich das ohne Weiteres machen.

Allerdings geht so ein Großteil des Budgets eben für Angestellte drauf, die sich Klubs in Ländern mit einer funktionierenden Talentförderung für sehr viel kleinere Beträge leisten können. Konkret: Real Madrid bezahlt einen Cristiano Ronaldo nicht zuletzt mit dem Geld, das man sich spart, weil man Dani Carvajal aus der eigenen Jugend in der Stammelf hat und auf einen großen Pool an spanischen Talenten zurückgreifen kann, die allesamt nicht die Welt kosten. Ähnliches gilt für den FC Bayern und Juventus Turin. 

Auf der Insel ist die Situation völlig anders. Zuviel Kapital jagt viel zu wenigen englischen Spielern hinterher. Die Folgen sind hyperinflationäre Preise. "Wen sollen wir denn kaufen? Für Raheem Sterling vom FC Liverpool müssten wir 100 Millionen Pfund zahlen", sagte Man-City-Coach Manuel Pellegrini, als er Anfang der Woche auf den geringen Anteil von Engländern im Kader angesprochen wurde. Englische Spieler sind deswegen nicht nur deutlich teurer als vergleichbare Europäer  - Manchester-United-Linksverteidiger Luke Shaw kostete im Sommer gut 43 Millionen Euro - sondern auch zwangsläufig viel stärker auf die Topklubs verteilt.

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Nicht einmal City oder Chelsea können es sich -  anders als Barcelona, Juve oder Bayern -  leisten, automatisch die besten lokalen Spieler unter Vertrag zu nehmen. Das hat, was die Meisterschaft betrifft, einen positiven Effekt, weil Monopolstellungen verhindert werden. Doch auf der internationalen Bühne ist zuviel Konkurrenz um das Spielermaterial kontraproduktiv.  Wer selbst dritte Torhüter aus dem Ausland einkaufen muss, hat es unter dem Strich schwer, absolute Weltklasse-Leute wie Lionel Messi unter Vertrag zu nehmen. Dazu kommt, dass es mit Bayern und Paris St. Germain mittlerweile Klubs gibt, die den Engländern auch 1B-Stars wie Arjen Robben oder Edinson Cavani wegschnappen. 

Es ist wohl kein Zufall, dass Englands schwache Ergebnisse in der Champions League exakt mit dem Aufstieg von Man City zum Spitzenverein nach 2008 zusammen fallen. Der aus Abu Dhabi alimentierte Klub hat den Preisdruck in der Liga erheblich verschärft, durch seine Einkaufspolitik immer wieder direkte Rivalen geschwächt und zumindest zeitweise das in Europa über die Maßen erfolgreiche Liverpool verdrängt. Seit 2009 gab es keine vier englische Viertelfinalisten mehr in einem Jahr; in den letzten vier Spielzeiten ist die Bilanz sogar verheerend. In sechzehn Versuchen hat es ganze drei Mal für englische Klubs für den Vorstoß unter die letzten Acht gereicht. 

Natürlich gibt es auch vereinsspezifische Gründe für den Misserfolg. Mit besseren Trainern würden City und Arsenal vermutlich weiter kommen. Chelsea wirkte gegen PSG müde, Liverpool konnte in der Vorrunde (noch) nicht den Weggang von Luis Suarez kompensieren. 

Aber wenn man sieht, dass die Bundesliga im August in der Fünfjahreswertung höchstwahrscheinlich an der Premier League vorbeiziehen wird -  trotz der keineswegs berauschenden Bilanz der deutschen Klubs in diesem Jahr - wird klar, dass die Engländer momentan kollektiv viel zu wenig aus ihren gewaltigen Möglichkeiten machen. Eine Winterpause würde sicher nicht schaden, eine bessere Nachwuchsförderung muss es auf jeden Fall geben. Ob die von Arsene Wenger am Donnerstag angeregte Abschaffung der Auswärtstor-Regel Linderung verspräche, ist allerdings aber eher fraglich. Ohne diesen Faktor würde es in den K.o-Runden wahrscheinlich häufiger Elfmeterschießen geben. Und das kann ja wirklich nicht im Sinne der Briten sein. 

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Raphael Honigstein, geboren 1973 in München, zog 1993 nach London. Dort lebt und arbeitet er als Journalist und Autor. Für SPORT1 berichtet er ab sofort in der wöchentlichen Rubrik "London Calling" über alle Themen rund um den englischen Fußball. Honigstein arbeitet unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", das Fußballmagazin "11 Freunde", die englische Tageszeitung "The Guardian", den Sportsender "ESPN" und ist in England und Deutschland als TV-Experte tätig.