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Kolumne von Stefan Kretzschmar nach dem DHB-Aus im WM-Viertelfinale

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Kolumne von Stefan Kretzschmar nach dem DHB-Aus im WM-Viertelfinale

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Wir waren einfach nicht besser als Katar

Stefan Kretzschmar sieht in seiner SPORT1-Kolumne die Schiedsrichter nicht als Verantwortliche fürs deutsche Viertelfinal-Aus. Trotzdem habe das DHB-Team Großartiges geschafft.
Kolumne von Stefan Kretzschmar zum Viertelfinal-Aus des DHB-Teams
Kolumne von Stefan Kretzschmar zum Viertelfinal-Aus des DHB-Teams
© SPORT1
Stefan Kretzschmar sieht in seiner SPORT1-Kolumne die Schiedsrichter nicht als Verantwortliche fürs deutsche Viertelfinal-Aus. Trotzdem habe das DHB-Team Großartiges geschafft.

Liebe Handball-Freunde,

man muss leider sagen, dass das Spiel gegen Katar sicherlich unser schlechtestes Spiel bei der WM war. Unglücklicherweise haben wir uns das gerade im Viertelfinale genommen. Aber ein schlechtes Spiel können wir auch nur deswegen machen, weil der Gegner Mittel findet, um uns unter Druck zu setzen und unsere gefährlichsten Waffen aus dem Spiel zu nehmen.

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Gerade in der Schlussphase haben wir dann natürlich auch viele Bälle liegengelassen, viele Chancen nicht genutzt. Das hat sich in den vergangenen Spielen nicht gerächt, weil wir da einfach noch stärker waren und das spielerisch wettgemacht haben.

Gegen Katar hat das dann aber eben ins Gewicht geschlagen, dass wir ein paar Siebenmeter und die eine oder andere ganz klare Chance nicht verwertet haben. Was natürlich auch damit zu tun hat, dass bei Katar mit Danijel Saric und Goran Stojanovic zwei Weltklasse-Torhüter im Tor stehen.

Es ist schwer zu sagen, ob am Ende der Druck ausschlaggebend war. Die Mannschaft hat mit Sicherheit gewollt und den Teamspirit hat man auch gegen Katar gespürt. Sie haben nur weniger Lösungen gefunden als sonst. Sie haben das Gleiche versucht wie immer, sind mit Selbstvertrauen in dieses Spiel gegangen, aber Katar hat sie vor andere Herausforderungen gestellt.

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Wir haben zum Beispiel in der ersten Hälfte zu keiner Zeit ihren Kreisläufer Borja Vidal in den Griff bekommen. Das war eine Maschine, wie er sich dort bewegt hat. In der zweiten Halbzeit haben wir den Kampf angenommen und uns noch mal zurück ins Spiel gebracht.

Auf dem Weg dahin, den Bock endgültig umzustoßen, hat die Mannschaft aber zwei, drei Chancen liegengelassen - und dann sicherlich auch zwei, drei Pfiffe bekommen, das muss man auch sagen.

Im Prinzip ist das so, wie Katars Trainer Valero Rivera auch gesagt hat: Hätte dieses Spiel in Deutschland stattgefunden, hätte Deutschland wahrscheinlich gewonnen. Es ist so, dass du im Land des Gastgebers drei, vier Tore besser sein musst als der Gastgeber. Und das hat für meine Begriffe, da muss man einfach mal in die Vergangenheit gucken, jetzt nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass dieser Gastgeber hier so enorm viel Kohle hat.

Wir sind alle traurig, dass wir jetzt im Viertelfinale raus sind und der Traum vorbei ist. Aber wir waren einfach auch nicht besser als Katar. Egal, ob da jetzt wirklich fünf, sechs, sieben Schiedsrichterentscheidungen gegen uns waren. Wir haben in diesem einen Spiel qualitativ nicht an das anknüpfen können, was wir vorher für einen Maßstab gesetzt haben. Deswegen bin ich nicht derjenige, der sich jetzt hinstellt und sagt: An allem sind hier die Schiris schuld. Das muss man auch als Sportsmann einsehen.

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Zum Thema Einbürgerung: Ich finde es natürlich alles andere als gut und witzig, dass man, so oft man will, einfach mal die Nationalität wechselt und dann für welches Land auch immer spielt. Aber das ist meine persönliche Meinung - und die Kataris machen schließlich nichts falsch. Das sind die Regularien, die das erlauben und man muss sich mal dringend Gedanken machen darüber, ob diese Regularien in Ordnung sind.

Man muss wissen, welche ökonomischen Möglichkeiten diese Spieler hier haben. Es wäre mir nie eingefallen, für ein anderes Land als Deutschland zu spielen. Aber ich muss auch diesen Menschen verstehen, der seine Familie ernähren muss oder seine Karriere ausklingen lässt und hier ein unfassbares finanzielles Angebot bekommt. Das sind ja finanzielle Größenordnungen, die können wir uns in Deutschland nicht mal vorstellen.

Mich nervt einfach extrem, dass hier gerade ein Riesenfass aufgemacht wird, auch in der Öffentlichkeit, weil das eben Katar ist. Nur weil dieses Land so viel Kohle hat, hört man immer an allen Ecken und Enden nur: Alles gekauft, alles gemacht, alles getan. Mit Sicherheit ist da auch was Wahres dran, aber sie machen ja nichts Verbotenes. Sie machen ja nichts, was die Regularien nicht zulassen. Also wer muss sich an die Nase fassen? Die IHF mit den Regularien.

Man darf auch nicht vergessen, weshalb wir hier sind. Und deswegen haben wir aus dem, was die Basis war, etwas Großartiges gemacht. Als man mich gefragt hat, was ich von dieser WM aus deutscher Sicht erwarte, habe ich geantwortet: Dass unsere Mannschaft uns begeistert, Fans zurückgewinnt und positive Schlagzeilen macht. Und das hat sie ganz großartig und toll gemacht.

Natürlich ist die Luft erst mal raus, wenn du im Viertelfinale ausscheidest. Dann ist die Euphoriewelle erst mal am Boden.

Aber diese deutsche Mannschaft zu sehen, hat Spaß gemacht. Jetzt geht es darum, eines der letzten beiden Spiele zu gewinnen und so einen Qualifikationsplatz für Olympia zu bekommen. Das muss das Ziel sein. Kroatien wird sicherlich auch schwer, aber möglich. Die Mannschaft sollte sich noch zweimal gut verkaufen, um den positiven Eindruck mitzunehmen.

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Bis zum nächsten Mal,

Euer Kretzsche

Stefan Kretzschmar, 41, ist seit 2009 als Experte und Co-Kommentator das Handball-Gesicht von SPORT1. Der neben Heiner Brand wohl bekannteste deutsche Handballer hat in 218 Länderspielen 817 Tore für den DHB erzielt, gewann unter anderem Olympia-Silber in Athen 2004. In der Bundesliga war der ehemalige Weltklasse-Linksaußen für den SC Dynamo Berlin, Blau-Weiß Spandau, den VfL Gummersbach und zuletzt den SC Magdeburg aktiv, mit dem er 2002 die Champions League gewann. Bei SPORT1.de analysiert "Kretzsche" während der WM regelmäßig vor Ort das Geschehen in Katar.