Uli Hoeneß gegen die Politik. Ein Fußball-Präsident gegen einen Justizminister. Bayern gegen Nordrhein-Westfalen. Diese Geschichte bietet viel Stoff.
Fall Hoeneß: Contra für Minister
Es geht um die Reaktion von Thomas Kutschaty auf Aussagen von Hoeneß.
Wer den Mann nicht kennt: Kutschaty ist Justizminister von NRW, ein Mann der Legislative. Man sollte meinen, der SPD-Politker kenne sich aus mit Recht und Gesetz.
Doch jener Kutschaty begibt sich dieser Tage auf sehr dünnes Eis - zumindest aus juristischer Sicht. In der Bild sinnierte er am Freitag über eine mögliche Aufhebung der Bewährungsstrafe von Steuersünder Uli Hoeneß.
Kutschaty nahm Bezug auf Aussagen, die der Bayern-Präsident in dieser Woche bei einem Konvent in Vaduz getroffen hatte. "Ich bin der einzige Deutsche, der Selbstanzeige gemacht hat und trotzdem im Gefängnis war", hatte Hoeneß gesagt mit Blick auf seine Haftstrafe nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.
Er vertrat die Ansicht: "Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen."
"Hoeneß macht sich über Steuerzahler lustig"
Sätze, die Gerechtigkeitsverfechter Kutschaty auf den Plan riefen. An die Adresse von Hoeneß gerichtet wetterte er: "Offensichtlich haben 21 Monate in einem bayrischen Luxusknast mit Wochenendurlauben [... ] nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Im Steuerparadies Liechtenstein macht er sich über die ehrlichen Steuerzahler lustig."
Um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, schob der Minister gleich eine Warnung hinterher: Hoeneß solle "vorsichtig sein" angesichts seiner Aktenlage. "Bei solchen Äußerungen kann man schon den Widerruf der Bewährung prüfen", sagte Kutschaty.
Ein Politiker, der den mächtigen Bayern-Präsidenten (wieder) hinter Schloss und Riegel bringen will: Kutschatys Position stößt selbst in Juristen-Kreisen auf Kritik.
Der renommierte Düsseldorfer Strafrechtler Jürgen Wessing sagte SPORT1: "Als Justizminister sollte man sein Gesetz kennen. Es gibt einen Paragraphen 56f, der den Widerruf der Bewährung regelt. Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn man während der Bewährungszeit eine weitere Straftat begeht oder beharrlich gegen Auflagen verstößt."
Kritik an Minister Kutschaty
Dass Hoeneß öffentlich seine Unschuld beteuert, hat nach Wessings Ansicht ziemlich wenig mit besagtem Passus im Strafgesetzbuch zu tun. Kollegen sehen das ähnlich.
Rainer Spatscheck, Münchner Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, sieht Kutschaty juristisches Getöse sogar politisch motiviert. "In Nordrhein-Westfalen stehen Wahlen an. Und mit Steuerrecht kann man politisch sicherlich punkten derzeit", sagte er SPORT1.
Einen ähnlichen Vorwurf erhebt Hoeneß-Anwalt Steffen Ufer. Kutschatys Aussagen seien "eine Unverschämtheit ohnegleichen, eine Frechheit. Das ist die Verzweiflung eines Mannes im Wahlkampf und völlig aberwitzig" sagte der Jurist der Bild. "Herr Hoeneß hat, wie jeder andere Mensch auch, das Recht, sich aus Rechtsgründen für unschuldig zu halten."
Bereits vor fünf Jahren ging Kutschatys Partei mit dem Thema Steuerbekämpfung auf Stimmenfang. Damals waren sogenannte Steuer-CDs in aller Munde. Vom Steuerfall Hoeneß ahnte noch niemand etwas.
"Hoeneß wäre Gefängnis erspart geblieben"
Wie später herauskam, schleuste der Bayern-Präsident hohe zweistellige Millionenbeträge am Fiskus vorbei. Unter Juristen ist jedoch umstritten, ob man ihn dafür überhaupt ins Gefängnis hätte stecken müssen.
"Mir ist kein weiterer Fall bekannt, in der für eine fehlgeschlagene Selbstanzeige eine Haft verhängt wurde", sagte Karsten Randt, Bonner Fachanwalt für Steuerstrafrecht, bei SPORT1. "Im Normalfall wird eine fehlgeschlagene Selbstanzeige bei der Strafzumessung in erheblichem Maße zugunsten des Beschuldigten angerechnet."
Ein Fakt, auf den Hoeneß seinerzeit vergeblich gehofft hatte. Das Landgericht München, das ihn im März 2014 zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilte, hatte die Selbstanzeige in Teilen für unwirksam erklärt.
Nach Ansicht von Experten eine Folge von juristischer Schlamperei seiner Berater.
"Hätte man vernünftig gearbeitet, wäre Hoeneß' Selbstanzeige strafbefreiend gewesen und ihm wäre das Gefängnis erspart geblieben", sagte Strafrechtler Wissing.