Bei Borussia Dortmund hat sich in der Schlussphase der Saison eine seltsame Gemengelage eingestellt.
Tuchels Demontage: BVB spielt mit dem Feuer
Während die Mannschaft drauf und dran ist, die Saisonziele zu erfüllen, herrscht im Binnenklima zunehmende Eiszeit.
Die Fronten zwischen den Klub-Verantwortlichen um Präsident Reinhard Rauball, Vorstandschef Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc auf der einen Seite und Cheftrainer Thomas Tuchel auf der anderen sind nicht nur verhärtet - sie dürften nicht mehr aufzuweichen sein.
Dass die Zusammenarbeit mit Tuchel nicht wie gewünscht funktioniert, daraus machen die Bosse kein Geheimnis mehr.
Und dass mittlerweile auch einzelne Spieler nicht mehr davor zurückschrecken, sich mit anonymer Kritik an Tuchel zitieren zu lassen, signalisiert deutlich: Alles läuft auf eine Trennung im Sommer hinaus.
Eine Entwicklung, aus der nicht nur Tuchel als Verlierer hervorzugehen droht.
Tuchel wie ein angezählter Boxer
Zwar macht sich der Berater des Trainers noch Hoffnung auf eine Reparatur der geschädigten Beziehung und eine weitere Zusammenarbeit. "Für mich ist es wichtig, dass Thomas Tuchel in dieser Sache nicht weiter beschädigt wird", sagt dessen Berater Olaf Meinking bei SPORT1.
"Er war und ist in allen seinen Aussagen sehr ehrlich und aufrichtig. Mir ist sehr daran gelegen, dass wir den sogenannten 'Dissens' ausräumen."
Das Ziel sei, "dass Thomas beim BVB bleibt und dass sich alles wieder beruhigt".
Ob das noch das Ziel aller anderen Beteiligten ist, ist fraglicher denn je, bedenkt man den Zeitpunkt und die Massivität, mit der Tuchel gerade in seiner Position beschädigt wird.
Tuchel wirkt wie ein Boxer, der nach zahlreichen offenen und verdeckten Wirkungstreffern mittlerweile so angezählt ist, dass ihn auch ein Pokalsieg gegen Frankfurt nicht mehr über die Runden retten wird. Und die Klubführung so, als ob sie es genau darauf anlegt.
BVB-Führung um Watzke riskiert viel
Ob zu Recht oder zu Unrecht: Fest steht, dass Tuchels Demontage für den BVB ein Spiel mit dem Feuer ist.
Durch die Unruhe, die in die Mannschaft getragen wird, wird der sportliche Erfolg massiv gefährdet. Bereits beim 2:1-Sieg gegen Hoffenheim, der durch zahlreiche Fehlentscheidungen von Schiedsrichter Felix Brych begünstigt wurde, wirkten die Schwarz-Gelben alles andere als gefestigt.
Von einem Selbstläufer Richtung Platz 3 und Pokalsieg kann unter den gegebenen Umständen nicht ausgegangen werden.
Viel eher bleibt die Frage, ob die von Tuchel teilweise enttäuschten Profis gerade jetzt die Kohlen für ihren ohnehin angezählten Trainer aus dem Feuer holen.
Dortmund nimmt Image-Schaden
Es geht allerdings nicht nur um die kurzfristigen sportlichen Risiken:
Der Tuchel-Wirbel ist ein Image-Schaden für den an der Börse notierten BVB, der aktuell nicht von diversen Medien, sondern teils auch von den eigenen Fans als neuer "FC Hollywood" gesehen wird.
Und es ist obendrein gut möglich, dass der Umgang mit dem Coach auch Leute abschreckt, die der BVB für sich gewinnen will. Nachfolge-Kandidaten für Tuchel zum Beispiel.
Nachfolger-Suche wird kompliziert
Die Suche nach einem geeigneten neuen Coach wird für den BVB ohnehin keine einfache sein. Der nahe liegende Anwärter Julian Nagelsmann, den der BVB nach SPORT1-Informationen bedenkenlos nehmen würde, steht kurzfristig bei Hoffenheim im Wort. Und langfristig könnte er sich beim FC Bayern besser aufgehoben fühlen.
Die von der Bild ins Spiel gebrachten Diego Simeone (noch Atletico Madrid) und Lucien Favre (Nizza) haben auch ihre Tücken. Simeone dürfte für den BVB nicht zu gewinnen sein.
Und die Option Favre wurde nicht nur von beiden Seiten umgehend dementiert, der BVB würde sich zudem den nächsten komplizierten Charakter ins Haus holen.
Die früheren BVB-Jugendtrainer David Wagner (Huddersfield) und Hannes Wolf (Stuttgart) sind begabte Alternativen, aber auch ein Risiko: Auf dem Niveau, das der Dortmunder Anspruch ist, sind sie unerprobt.
So wie es Tuchel war.