Auch wenn es von der kommenden Saison an anders aussehen soll, reicht es derzeit für Joshua Kimmich bei Trainer Carlo Ancelotti regelmäßig nur für einen Platz auf der Bank des FC Bayern.
So behob Ancelotti Guardiolas größtes Problem

Unter Pep Guardiola dagegen war er einst zum Stamm- und Nationalspieler avanciert. In der Rückrunde der vergangenen Saison stand der Youngster fast ausnahmslos über die komplette Spieldauer auf dem Platz.
"Joshua Kimmich ist fast mein Sohn", frohlockte Guardiola einmal gewohnt überschwänglich.
Aber: Kimmichs steiler Aufstieg war auch begünstigt durch zahlreiche und langwierige Verletzungen seiner Kollegen.
Deshalb kam er auch mehrmals als Notnagel in der Innenverteidigung zum Einsatz. In der entscheidenden Phase der vergangenen Saison fehlten nämlich Jerome Boateng, Holger Badstuber und Mehdi Benatia verletzungsbedingt in der Abwehrzentrale.

Die Ancelotti-Bayern sind dagegen vor den heißen K.o.-Spielen in Champions League und DFB-Pokal vollzählig und aktuell von Verletzungen komplett verschont. Prompt ist Kimmich nur noch Reservist.
Verletzungen kein Thema
Kimmichs Schicksal veranschaulicht einen großen Unterschied zwischen Ancelottis Arbeit und der seines Vorgängers.
Guardiola musste in den entscheidenden Spielen aufgrund von Verletzungen regelmäßig umbauen. Ancelotti setzt dagegen konsequent auf die gleichen Akteure - weil er es kann.
Derzeit ist der gesamte Bayern-Kader fit und einsatzbereit. Nur Juan Bernat fehlte beim 3:0-Sieg gegen Frankfurt am Samstag leicht angeschlagen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Verletzungen sind an der Säbener Straße aktuell überhaupt kein Thema.
Bei Guardiola war das anders. Mehrmals gab es um die Behandlung verletzter Spieler Streit zwischen dem Spanier und der medizinischen Abteilung. Ärzte-Ikone Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt schmiss sogar hin.
Guardiola waren die Ausfallzeiten zu lang, er wollte seine Profis so schnell wie möglich wieder auf dem Platz sehen. Seine Trainingseinheiten waren anstrengend für Kopf und Körper. Kurze Heilungszeiten und hohe Belastungen erhöhen jedoch das Risiko für neue Verletzungen.
Ältere Spieler werden geschont
Ancelotti wurde in München anfangs für sein angeblich zu laxes Training kritisiert und sogar belächelt. Doch der Italiener setzt bewusst auf eine ausgewogenere Dosierung im Training, gibt mehr Zeit zur Regeneration und baut verletzte Spieler behutsam wieder auf.
"Zu viel Wasser tötet die Pflanze", erklärte Ancelotti vor dem Frankfurt-Spiel poetisch. Die Belastungen seiner Schützlinge steuert er individuell.
Seine Stars dürfen das Leben auch während der Saison genießen und sogar immer wieder zu Kurztrips quer durch Europa jetten.
David Alaba und Franck Ribery düsten so am trainingsfreien Sonntag schnell nach Paris, um dort zusammen mit den NFL-Stars Odell Beckham Jr. und Von Miller das Konzert von R'n'B-Star Drake zu besuchen.
Besonders ältere Semester bekommen von Ancelotti immer wieder Extra-Pausen eingeräumt.
So wie zuletzt Xabi Alonso, der nach der Ankündigung seines Karriereendes gegen Frankfurt auf der Tribüne entspannen durfte. In den Spielen, in denen es um Titel geht, soll der Routinier voll im Saft stehen.
Erfahrungen aus dem "Milan Lab"
Diese Philosophie verfolgte Ancelotti bereits bei allen anderen Weltvereinen, bei denen er zuvor in der Verantwortung stand.
Beispielhaft dafür ist seine Arbeit beim AC Milan. Die Mannschaft, mit der er 2007 die Champions League gewann, war mit durchschnittlich über 31 Jahren das älteste Team, das jemals in einem Finale der Königsklasse stand. Paolo Maldini war an diesem Tag 38 Jahre und 331 Tage alt. Und auf den Punkt topfit.
Ancelotti ließ seine alten Schlachtrösser im legendären "Milan Lab" hegen und pflegen. In diesem sportmedizinischen Labor revolutionierte der italienische Klub die Vorbeugung von Verletzungen mit Hilfe wissenschaftlicher Analysen.
Muskelverletzungen unter Kontrolle
Auch bei Bayern sprechen die Zahlen klar für Ancelotti. In der letzten Guardiola-Spielzeit fielen die Spieler insgesamt 782 Tage wegen Muskelverletzungen aus. Bei Ancelotti sind es bisher nur 428. Der Horror-Wert der letzten Saison wird also weit unterboten werden.
Spieler, die traditionell besonders verletzungsanfällig waren, packte Ancelotti in Watte.
Mit Erfolg: Arjen Robben (17 zu 15), Franck Ribery (14 zu 13) und Javi Martinez (20 zu 16) haben in dieser Saison schon mehr Bundesliga-Spiele bestritten als in der kompletten Vorsaison.
Auch Thiago war immer anfällig. Doch in der laufenden Saison hat der Spanier schon 20 Mal gespielt. Nie hatte er nach 24 Spieltagen so viele Einsätze. Und nie war er so sehr Schlüsselspieler wie unter Ancelotti.
Wässert Ancelotti seine Pflanzen weiterhin so umsichtig, könnten die Bayern bald reiche Ernte in Form des Triples einfahren.