Borussia Dortmund steht auf Rang vier, einen Punkt vom erklärten Minimalziel entfernt. Und trotzdem könnte man den Eindruck bekommen, der BVB durchlaufe eine mittelschwere Krise.
Unruhe beim BVB: Wer trägt die Verantwortung?
"Der BVB-Machtkampf", titelte die Sport Bild am Mittwoch - und man muss lange überlegen, wann es allein eine solche Schlagzeile zuletzt über die Borussia gab.
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Die Erläuterungen von Trainer Thomas Tuchel zum Transfer von Alexander Isak und zum angeblich zerrütteten Verhältnis mit Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc bieten Raum für Spekulationen - auch das ein Umstand, den es in der Troika Watzke-Zorc-Klopp kaum zu beobachten gab. Da passte gefühlt kein Blatt Papier zwischen die drei Verantwortlichen.
Aber ist auch wirklich etwas dran an den Gerüchten? Und wer trägt wofür die Verantwortung? Eine Bestandsaufnahme.
Die sportliche Leitung:
"Es gibt keinen Wunsch hinsichtlich von Neuverpflichtungen", sagte Tuchel vor dem letzten Spiel des Jahres 2016 gegen den FC Augsburg. Die offenbar relativ unverhofft aufgekommene Möglichkeit, einen Spieler wie Isak zu bekommen, konterkariert diesen Gedanken ein wenig.
Auf der anderen Seite muss sich ein Verein auch in gewisser Weise freimachen von den Wünschen und Vorstellungen eines Trainers und autark längerfristige Ziele verfolgen - ohne dabei den Trainer in der Entscheidungsfindung zu übergehen. So stellt sich auch der Isak-Transfer im Nachhinein dar, der im Ablauf nicht ungewöhnlich war für die Bundesliga.
Allerdings hatte Tuchel mit Ömer Toprak auch einen Wunschspieler, den ihm die Verantwortlichen verwehrten. Stattdessen wurde die veränderte Kaderstruktur nach den Abgängen dreier gestandener Spieler nicht entsprechend eingeordnet.
Der Versuch, mit jungen, zumeist ausländischen Spielern und den bundesliga-erprobten Andre Schürrle, Mario Götze und Sebastian Rode die Lücken zu füllen, hat bisher noch nicht wie erwünscht funktioniert.
Offenbar wurde die Tatsache unterschätzt, dass Schürrle, Götze und Rode ohne Rhythmus und Selbstvertrauen zum BVB stießen und sich beides erst mühsam erarbeiten müssen.
Der Trainer:
Thomas Tuchel ist im Führungszirkel derjenige, der mit den Erfolgen der jüngeren Vergangenheit nichts zu tun hat. Dafür kann er nichts, aber er muss immer wieder mit dieser Gegebenheit klarkommen. Tuchel muss immer wieder als Buhmann herhalten, nicht nur in der Debatte um das angeblich angespannte Verhältnis zu Kaderplaner Sven Mislintat, ebenfalls schon seit fast zehn Jahren im Klub.
Natürlich sind seine öffentlichen Auftritte und der Draht zu den Fans, den Medien und vielleicht auch einzelnen Mitarbeitern nicht wie jener seines Vorgängers. Aber darauf mussten sich alle Beteiligten nach dem Guru gleichen Klopp auch einstellen.
Tuchel nimmt sich mit Presseterminen sehr zurück - sitzt er aber auf dem Podium oder vor dem Mikrofon, ist er ausgenommen professionell, geduldig, auskunftsfreudig und fast schon zu ehrlich. Die Reus-Rückkehr moderierte er im Sommer anders als einige andere im Klub eher pessimistisch. Und sollte damit Recht behalten.
In der Foul-Diskussion hatte der Trainer in der Sache auch Recht, wählte aber vielleicht einen falschen Zeitpunkt und muss seither damit leben, als Lamentierer und schlechter Verlierer zu gelten.
Die Diskussion um das Kapitänsamt und verbale Alleingänge wie zuletzt der von Ersatzkeeper Roman Weidenfeller fallen letztlich auf Tuchel zurück, der dann moderieren muss.
Inhaltlich hat er in der Vorrunde viel experimentiert, um eine allgemein gültige Formel zu finden. Das hat nicht unbedingt zur Stabilisation der neuformierten Mannschaft beigetragen, war aber wohl unvermeidbar - auch wegen zahlreicher verletzter Spieler.
Was auffällt, ist seine Ungeduld während der Spiele. Womöglich verlangt er zu viel von seiner Mannschaft. Ein Blick zurück könnte helfen: Auch Klopp hat zwei Spielzeiten benötigt, um seinen Fußball fest zu implementieren.
Die Mannschaft:
"Ich kann nicht sehen, dass die Mannschaft verschiedene Prioritäten setzt oder Spiele unterschiedlich angeht oder sich darauf vorbereitet", sagte Tuchel Anfang November im Vorfeld der Begegnung in der Champions League gegen Sporting Lissabon und widersprach damit Zorc, der Motivationsprobleme in der Bundesliga vermutet hatte.
Die Diskrepanz zwischen Liga und DFB-Pokal auf der einen und den Spielen in der Champions League auf der anderen Seite war in der Vorrunde aber nicht wegzudiskutieren.
Lediglich acht von 17 Spielen hat der BVB in der Bundesliga gewonnen und wäre im Pokal zu Hause um ein Haar an Zweitligist Union Berlin gescheitert. Einige Male fühlten sich die Leistungen der Mannschaft wie Dienst nach Vorschrift an - und förderten dann auch das entsprechende Ergebnis zutage. In der Königsklasse gab es dagegen teilweise berauschende Abende.
Und dass das letzte Spiel ohne Gegentor gegen die Bayern absolviert wurde, in einem echten Highlight-Spiel, kann ein Zufall sein. Oder aber ein weiteres Indiz dafür.
Der Kader ist tief genug und qualitativ so hochwertig besetzt, um in allen drei Wettbewerben das auch abzurufen, was er zu leisten imstande ist. Hier steht einzig und allein das Team in der Pflicht.