Den Kopf am Feiertag mal freizukriegen kann grundsätzlich nicht schaden. Erst recht, wenn gerade so viel passiert wie im neuen Leben des Alexander Nouri. Der am Wochenende ernannte neue Cheftrainer des SV Werder hat unbedingt mal durchatmen müssen, als er allen einen freien Montag gewährte.
Werders Risiko mit Nouri
Wobei: Ganz stressfrei ist es auch beim 37-Jährigen zuhause nicht. Ein noch etwas ungezogener Vierbeiner, neu ins Haus gekommen, "raubt mir den einen oder anderen Nerv."
Dass der in Buxtehude aufgewachsene Sohn eines Iraners und einer Deutschen so etwas erzählt, sagt viel über seine authentische Ader aus. Nouri, als Spieler nicht über die Zweite Liga hinausgekommen, gilt als Trainer als Überzeugungstäter, der schon bei der U 23 betont hat, er wolle seine Mitmenschen inspirieren.
Gegenentwurf zu Skripnik
Tatsächlich ist er ein positiv denkender Fußballlehrer, der schon typbedingt der Gegenentwurf zum bisweilen verschlossen wirkenden, schwer verständlichen Viktor Skripnik daherkommt. Drei Spiele haben genügt, und der Neue besitzt bereits deutlich mehr Rückhalt in einer Mannschaft, die im Abstiegskampf der vergangenen Serie teilweise mit das Kommando übernommen haben soll. Der Verein hat das nie dementiert.
Nouri gilt als ein mit viel Empathie gesegneter Trainer, "der einen guten Job macht und uns Mut zuspricht" (Kapitän Clemens Fritz), "mit dem die Mannschaft zufrieden ist" (Verteidiger Theodor Gebre Selassie).
Harter Weg aus dem Tabellenkeller
Der "Emotionsmensch und Motivator" (Skripnik-Kritiker Zlatko Junuzovic über Nouri) steht für Chance und Risiko – und spricht selbst von einer "großen Herausforderung", was angesichts der nach der Länderspielpause anstehenden Aufgaben gegen Bayer Leverkusen und RB Leipzig fraglos stimmt.
Einfach ist die Vorgabe nicht, die ihm Geschäftsführer Frank Baumann gemacht hat: "Wir wollen möglichst schnell aus der Abstiegszone rauskommen, das ist erst mal das Ziel. Aber klar, das ist ein harter Weg."
Werder-Familie auf dem Prüfstand
In den nächsten Wochen geht es nebenbei auch noch um Grundsätzliches an der Weser. Es steht nämlich auch die Frage auf dem Prüfstand, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, erst den fleißigen und bestens vernetzten Sportdirektor Rouven Schröder nach Mainz ziehen zu lassen und dann den vielen in Bremen zu unbequemen Geschäftsführer Thomas Eichin zu entlassen.
Stattdessen hat Aufsichtsratschef Marco Bode entschieden, mit Manager-Neuling Baumann die Werder-Familie komplett zu machen. Kaum ein Bundesligist ist so gerne bei sich. Die Beförderung von U23-Coach Nouri passt in diese Philosophie:
Fast alle Posten auf Leitungs- und Führungsebene bleiben am besten in Händen von Personen, die den Eignungstest von Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer bestehen würden - der hatte sich mitunter gerühmt, dass durch seine Adern grünweißes Blut strömen würde.
Baumann und Bode stehen für eine Vergangenheit in diesem Klub, die ehrenvoller nicht seine könnte - aber ob sie wirklich auch die beste Lösung für die langfristige Weiterentwicklung sind, müssen die Ehrenspielführer erst noch beweisen.
Baustelle Verteidigung verbessern
Sie verknüpften auch ihr Standing nun an einen Neueinsteiger, der vor Stolz über seine Berufung fast platzt ("Die Bundesliga ist natürlich ein Traum") und der nun zuerst die Defensive stärken will: "Das ist Detailarbeit, das geht nicht von heute auf morgen."
Zumal eine komplette Elf für die Länderspiele auf Reisen gegangen ist oder noch geht. Nouri kann also vorerst nur eingeschränkt arbeiten, aber das stört ihn ebenso wenig wie sein nur bis nächsten Sommer laufender Vertrag. "Auch wenn ich einen Vierjahresvertrag gehabt hätte – was ändert das an der Situation?" Zumal dieser Verein doch fast jeden wieder aufnimmt.
Bestes Beispiel: Florian Kohfeldt, der zunächst im Zuge der Skripnik-Trennung mit beurlaubte Co-Trainer, übernimmt ab dem heutigen Dienstag die in der Dritten Liga beheimatete U23. Das erstaunt insofern, da der 33-Jährige doch für die taktische Ausrichtung zuständig war, die Anfang der Saison ganz und gar nicht passte.
Nun ist Kohfeldt aber genug, die zweitwichtigste Mannschaft im Verein zu trainieren. Die Werder-Familie hält eben zusammen – in guten wie in schlechten Zeiten. Die Frage ist nur, ob das auch dauerhaft reicht, die Bundesliga zu erhalten.