Als nach knapp 95 Minuten der Schlusspfiff im Bremer Weserstadion ertönte, zeigte sich Bundesligadebütant Julian Nagelsmann mit der Leistung seines Teams zufrieden. Die TSG 1899 Hoffenheim hätte im Duell mit einem Konkurrenten im Abstiegskampf drei Punkte gut gebrauchen können.
Das sind die Kniffe von "Baby-Mourinho"
Es reichte nur zu einem Remis. Der 28-jährige Nagelsmann hat aufgrund seines Alters und dem damit verbundenen Rekord als "jüngster Bundesligatrainer aller Zeiten" viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Doch in erster Linie geht es um die Rettung Hoffenheims.
Seine taktische Philosophie zeichnete sich in seiner Arbeit mit Hoffenheims U19-Mannschaft in den letzten Jahren durch zwei Extreme aus: vertikales Offensivspiel und ballorientiertes Verteidigen. Die jungen Hoffenheimer erinnerten in ihrer intensiven Balljagd ansatzweise an Roger Schmidts Bayer Leverkusen. (Mehr zu den taktischen Erkenntnissen des 21. Spieltags ab 22.15 Uhr im der Telekom Spieltaganalyse im TV auf SPORT1)
Taktische Grundformationen
Nagelsmann selbst spricht von Grundprinzipien, die unabhängig von taktischen Grundformationen gelten. Diese sollen nun auch die Spieler der ersten Mannschaft so schnell wie möglich verinnerlichen.
Im Duell mit Werder Bremen machte der 28-Jährige direkt deutlich, dass er Formationen nur als Mittel und nicht als Dogma sieht.
Er stellte um im Vergleich zu den Vorwochen, in denen Hoffenheim unter Huub Stevens im 4-2-3-1 auflief und zurückhaltend verteidigte. Mit Dreierabwehrkette sowie einem geballten Fünfermittelfeld wollte 1899 gegen Bremen die Mitte des Spielfeldes kontrollieren.
Die zentrale Figur im System war Tobias Strobl. Er bewachte die Räume vor der Abwehr, schaltete sich mit gezielten Vorstößen aber auch vermehrt ins Gegenpressing ein. Zusammen mit Nadiem Amiri eroberte er vor dem Führungstreffer in der zehnten Minute den Ball. Seine Flanke fand anschließend den Torschützen Andrej Kramaric.
Zehn Bremer Torschüsse
Doch Hoffenheim ist noch bei weitem nicht dort, wo Nagelsmann die Mannschaft haben möchte. Immerhin ließ sie zehn Bremer Torschüsse zu. Der Defensivansatz bestand darin, den Gegner durch entsprechendes Aufrücken einzelner Mittelfeldspieler entweder in die Mitte oder in Richtung Seitenauslinie zu lenken.
Hoffenheim formte meist einen Trichter, ließ also gezielt Räume leicht offen, um Bremen hinein zu locken.
Doch anstatt im Anschluss mit mehreren Spielern den Ballführenden zu attackieren, blieben die Hoffenheimer passiv. Bremen konnte folglich mit Leichtigkeit der gegnerischen Umklammerung entkommen und in die offensiven Halb- oder Flügelräume spielen.
Hoffenheimer Passivität
Diese Passivität schlug sich auch im Gegenpressing nieder. Mehrmals beförderte beispielsweise Zentralverteidiger Fabian Schär den Ball per langem Schlag nach vorn. Anschließend kämpften vier oder fünf Akteure - allerdings nicht im Kollektiv - um die Abpraller.
So waren es meist nur Einzelaktionen von Strobl oder Amiri, die zur Balleroberung in der Bremer Hälfte führten.
Im Nachgang sprach Nagelsmann davon, dass er vornehmlich Passspiel am Boden sehen möchte. In Mittelfeld und Angriff war am Samstag bis auf den spät eingewechselten Eugen Polanski kein Hoffenheimer größer als 1,80 Meter.
Nagelsmann sagte zudem gegenüber DFB.de, er möchte, dass seine Spieler künftig "aggressiver, gezielter und punktgenau vor das gegnerische Tor" kommen. In Ansätzen konnte man seine Handschrift zum Debüt bereits erkennen.
Doch bis er seine Vorstellungen von intensiver ballorientierter Defensive mit entsprechend vielen zielgerichteten Umschaltsituationen vollends implementieren kann, braucht es Zeit. Zeit, die er im Abstiegskampf eigentlich nicht hat.