Lucien Favre, Trainer bei Bundesliga-Schlusslicht Borussia Mönchengladbach, hat seinen Abgang verkündet - völlig überraschend und unter turbulenten Umständen.
Favre wirft hin - Gladbach geschockt
Favre verkündete am Sonntagabend seinen Abtritt, obwohl der Klub den Rücktritt, den er ihm im Lauf des Tages angeboten hatte, nicht angenommen hatte. Mit einer Mitteilung an die Nachrichtenagenturen schuf der Schweizer dann Fakten - die Gladbach formell noch nicht akzeptiert hat, aber wohl kaum noch ändern können wird.
Um 14 Uhr hat Gladbach eine Presskonferenz angekündigt (News).
"Wir sind nach wie vor total davon überzeugt, dass Lucien der perfekte Trainer für Borussia ist und wir gemeinsam mit ihm die aktuelle, sehr schwierige sportliche Situation überstehen werden", teilte Sportchef Max Eberl in einer Erklärung der Borussia mit.
Um 19.25 Uhr wurde Favres Rücktritt vermeldet, erst etwa eine halbe Stunde später meldete sich der Klub zu Wort, bestätigte allerdings nur Favres Rücktrittswunsch und schreibt weiter, dass sie diesen Wunsch "abgelehnt" hätten.
Favre: Nicht mehr "der perfekte Trainer"
Favre reagierte auf den schlechten Saisonstart der Borussia mit fünf Niederlagen in der Bundesliga und einer weiteren Pleite in der Champions League. Am Samstag hatte seine Elf das rheinische Derby beim 1. FC Köln mit 0:1 verloren.
"Nach reiflicher Überlegung und eingehender Analyse bin ich zu der Erkenntnis gekommen: Es ist in dieser Situation die beste Entscheidung, mein Amt als Cheftrainer bei Borussia Mönchengladbach niederzulegen", ließ Favre verlauten.
Favre hat nach eigenen Angaben "nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein. Es ist jetzt an der Zeit und die beste Entscheidung für den Verein und die Mannschaft, eine Veränderung herbeizuführen."
"Fakten, die uns ins Mark treffen"
Die Gladbacher Verantwortlichen reagieren widersprüchlich auf Favres Vorpreschen: Während Eberl den Willen betont, weiter mit Favre zusammenarbeiten zu wollen, klingt Präsident Rolf Königs resigniert.
"Wir haben gehofft, dass wir ihn auch dieses Mal überzeugen können, bei uns und mit uns weiterzumachen", wird Königs zitiert - womit er ganz nebenbei klar machte, dass Favre mindestens schon einmal vorher seinen Abgang angeboten haben muss.
"Mit seinem öffentlich gemachten Rücktritt hat er nun Fakten geschaffen, die uns bis ins Mark treffen", ergänzte Königs: "Wir haben mit Lucien Favre viereinhalb überaus erfolgreiche sportliche Jahre hinter uns und sind sehr traurig, dass dieser gemeinsame Weg nun offenbar zu Ende ist." Vizepräsident Rainer Bonhof teilte mit: "Wir sind völlig vor den Kopf gestoßen."
Kommt Luhukay - oder Klopp?
Weitere Erklärungen will Gladbach erst im Laufe des Montags abgeben. Am Mittwoch trifft die Borussia auf den FC Augsburg, die profiliertesten Kandidaten, um die Trainerlücke für den Moment intern zu füllen: Favres bisheriger Co-Trainer Frank Geideck, Reserve-Coach Andre Schubert, früher beim FC St. Pauli und U19-Trainer Arie van Lent.
Als Nachfolger bringt die Bild bereits die Namen Jos Luhukay, Horst Steffen von Drittligist Stuttgarter Kickers ins Spiel - sowie den von Ex-BVB-Coach Jürgen Klopp. Luhukay soll der aussichtsreichste Kandidat sein.
Erinnerungen an Hertha
Der Schweizer hatte das Amt in Mönchengladbach im Februar 2011 übernommen und die Elf vom Niederrhein vom Abstiegskandidaten zum Champions-League-Teilnehmer geformt.
Gladbach-Sportdirektor Max Eberl hatte Favre noch vor wenigen Tagen als "unrauswerfbar" bezeichnet. Seitdem hatte sich die Krise der Fohlenelf noch weiter zugespitzt. Nach Favres Ansicht offensichtlich zu sehr.
Unter ähnlich kuriosen Umständen ging schon einmal eine zuvor erfolgreiche Trainerstation Favres zuende: Bei Hertha BSC musste Favre 2009 nach sechs Niederlagen in den ersten sechs Saisonspielen gehen - und berief acht Tage später selbst eine Pressekonferenz ein, in der er öffentlich mit seinen alten Klub ins Gericht ging.