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Der SV Darmstadt 98 vor dem Aufstieg in die Bundesliga

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Der SV Darmstadt 98 vor dem Aufstieg in die Bundesliga

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Hier sollen die Bayern spielen?

Der SV Darmstadt 98 ist anders als andere Profivereine. Eine exklusive SPORT1-Ortsbesichtigung am Böllenfalltor vor dem Finale in der zweiten Liga.
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Frank Hellmann
Der SV Darmstadt 98 ist anders als andere Profivereine. Eine exklusive SPORT1-Ortsbesichtigung am Böllenfalltor vor dem Finale in der zweiten Liga.

Noch liegt eine fast schon gespenstische Ruhe über dem Ort, auf dem sich am Sonntag ein Heldenepos abspielen kann. Eine ganze Stadt ist in freudiger Erwartung auf das, was dem SV Darmstadt 98  im Herzschlagfinale der zweiten Liga bevorsteht, aber den meisten Lärm verursachen am Böllenfalltor gerade die Lastwagen, die an den Verkaufsständen die Biervorräte wieder auffüllen.

Dutzendweise werden Fässer und Kisten einer hessischen Brauerei herangekarrt. Auch die VIP-Lounge, ein zweistöckiger Containerbau vor der Haupttribüne, wird befüllt - man weiß ja nie, wie groß der Durst ist, wenn der große Coup gelingt. Es winkt die Wiederkehr in die Bundesliga nach 33 Jahren. Ein Sieg im Heimspiel gegen den FC St. Pauli (ab 15 Uhr im LIVETICKER und im Sportradio auf SPORT1.fm) reicht, und Darmstadt wäre zum dritten Male nach 1978 und 1981 aufgestiegen.

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"Das einzig Neue ist die Sauna"

Dabei muten die Rahmenbedingungen im Stadion immer noch amateurhaft an. Vom Trainer Dirk Schuster gibt es zu den altehrwürdigen Gegebenheiten beim Zweitligisten einen schönen Spruch: "Das einzig Neue ist die Sauna, die ist erst 20 Jahre alt." Trotzdem besitzt die Spielstätte fast schon Kultcharakter.

Die 16500 Plätze werden am Pfingstsonntag alle belegt sein – mehr Besucher erlaubt die marode Bausubstanz nicht, und überdies gibt es auf der bis auf einen kleinen Bereich ausschließlich aus Stehplätzen bestehenden Gegengeraden noch einen Pufferblock, in dem das Unkraut zwischen den Steinstufen wuchert.

Pro Eintrittskarte nur zehn Euro Erlös

"Wir haben im Moment 80 Prozent Stehplätze und viel zu wenig Sitzplätze", sagt Präsident Rüdiger Fritsch im Gespräch mit SPORT1, weshalb pro Eintrittskarte nur zehn Euro erlöst werden. So wenig wie kein anderer Profiklub. Und auch beim Fernsehgeld sind die "Lilien" Letzter. Der Etat für den Lizenzspielerbereich liegt bei nicht einmal sechs Millionen Euro.

Angestellt ist eine  Ansammlung gescheiterter und schwieriger Existenzen, von Kapitän Aytac Sulu, Wirbelwind Marcel Heller oder Bartträger Marco Sailer, die sich vielleicht gerade in einer authentischen Atmosphäre, die jeden Tag nach Schweiß und Arbeit riecht, wieder auf den rechten Weg bringen ließen. Auf die Frage, ob sein Team bundesligatauglich sei, antwortet Schuster stets: "Vom Teamgeist und Kampfkraft her, ja. Vom Spielerischen her definitiv nicht, infrastrukturell erst recht nicht."

Die Behauptung ist nicht gewagt, dass sich kaum einer  seiner Kollegen in seiner Trainerkabine umziehen würde. Zu miefig, zu  muffig. Und wenn die Zeugwarte "Utz" (Pfeifer) und "Bubu" (Helmut Koch) die große Waschmaschine anwerfen, dann dient der brüchige Tisch gleichzeitig als Ablage für den Spielbericht, den sich hier der Schiedsrichter abholt.

Gästekabine erfreut Nostalgiker

Wer das Innerste des Merck-Stadions am Böllenfalltor  - so der offizielle Name - durchschreitet, der unternimmt eine Zeitreise. Auch die Gästekabine erfreut alle Nostalgiker. Aber einen wie Pep Guardiola wird es eher nicht erquicken, dass jede Ansage zu verstehen ist, wer daneben im Presseraum mit seiner putzigen Bar ein Ohr an die Wand hält.

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Als Mixed Zone dient übrigens ein zugiger Bereich unter den Stahlträgern der Tribüne. Daneben das alte Waschbecken, in dem sich die Spieler noch selbst die Schuhe putzen.

Auch über den Zustand des Platzes haben sich schon viele Gegner beschwert, obwohl der  Rasen reichlich Luft und Sonne bekommt. In dieser Woche trainieren die Akteure im Stadion, weil der einzige  Trainingsplätz von Löchern übersät ist. Und als die Stadt im Winter das Terrain nicht vom Schnee befreite, ging Schuster mit seinen Spielern laufen. Sein Leitspruch: "Mentalität schlägt Qualität."

Stadionführung für alle Neuzugänge

Jeden seiner Neuzugänge führt der in Karl-Marx-Stadt geborene Schuster zuerst persönlich durch die Räumlichkeiten. Danach gibt es die Gretchenfrage: Wollt ihr das? Nur wer aus Überzeugung bejaht, den verpflichtet der 47-Jährige auch, denn einen richtigen Manager gibt es nicht. Genausowenig wie  eine Scouting-Abteilung.

Wenn ein Spieler oder ein Spiel beobachtet werden muss, dann gehen der ehemalige Bundesligatrainer Horst Franz und der einstige DDR-Oberligaspieler Eberhard Schuster auf Tour. Die Väter von Chef- und Co-Trainer. Der eine erkundet den Westen, der andere den Osten.

120 ehrenamtliche Mitarbeiter

Auf der Lohnliste stehen nicht einmal ein Dutzend Festangestellte, dafür machen 120 Ehrenamtliche mit. Tom Lucka als Hauptverantwortlicher für Medienarbeit und Akkreditierungen müsste statt 15, 16 Stunden täglich wohl wirklich rund um die Uhr arbeiten, wenn ihn nicht Freiwillige damit helfen würden, Fan-Radio, Live-Ticker und soziale Netzwerke zu bedienen. Und gerne gesucht: arbeitswillige wie fähige Praktikanten.

"Wir brauchen immer gute Leute, die mitarbeiten, am besten kostenlos", sagt Fritsch. Der 53-jährige Präsident, im Hauptberuf Wirtschaftsjurist mit Kanzlei in Frankfurt, weiß, dass es schwer werden dürfte, damit im Verdrängungswettbewerb dauerhaft zu konkurrieren.

Deshalb wäre zumindest ein Bundesliga-Jahr immens wichtig, weil allein mit den Fernseheinnahmen wohl die Grundlagen für drei mindestens weitere Jahre Profifußball gelegt würden. Und: Als unbezahlbarer Werbeträger ließe sich womöglich die Errichtung eines neuen Stadions beschleunigen, das eigentlich 2017 gebaut werden soll. Sicher ist das aber noch nicht.

(Tippen Sie den spannenden Auf- und Abstiegskampf durch mit dem dem SPORT1-Tabellenrechner)